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Eisbären

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DEL: Die wunderbare Welt der Eisbären

Der Berliner Eishockeyklub hat sich meilenweit vom Rest der Liga abgesetzt – und betrachtet diese Entwicklung mit Skepsis.

Von Katrin Schulze

Da kann man schon mal den Überblick verlieren. „Gegen wen geht’s noch mal?“, fragt Stefan Ustorf, nachdem er seine Trainingseinheit hinter sich gebracht hat. Man kann Ustorf, ein sonst sehr sortiert wirkender Mann, seinen Aussetzer im Prinzip nicht verübeln. Bei 25 Punkten Vorsprung nach 54 absolvierten Spielen dürfte es seinen Eisbären egal sein, ob der nächste Gegner nun Iserlohn, Frankfurt oder Krefeld heißt. Dennoch deutet die Gedächtnislücke des 36 Jahre alten Berliner Stürmers eine generelles Mysterium an: Die Eisbären leben in ihrer eigenen Eishockeywelt.

Und das ist ein Schicksal, mit dem sie durchaus hadern. Vielleicht auch ein wenig kokettieren. „Es hört sich sicher blöd an, aber wir haben es nicht einfach“, sagt Ustorf. „Eigentlich wäre es besser, bis zum Ende um die Play-offs zu kämpfen, weil man dann im Rhythmus ist.“ Ustorfs Mannschaft aber führt die Tabelle der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) seit Monaten an und seit Wochen steht fest, dass sie den ersten Platz in der laufenden Spielzeit auch nicht mehr räumen wird. Vielmehr werden die Berliner ganz nebenbei noch den Vorrundenrekord der München Barons aus der Saison 2001/2002 brechen, die es damals auf immerhin 121 Punkte brachten – bei noch zwei ausstehenden Spielen haben die Eisbären bislang 120 Punkte gesammelt.

Doch was gelten solche Zahlen, wenn es in die Endrunde geht? Wenn alles bei null beginnt und nicht nur die Eisbären in jedes Spiel alles legen? Nichts. Jedenfalls, wenn es nach Stefan Ustorf geht. „Es ist egal, welchen Vorsprung du in der Hauptrunde anhäufst“, sagt er. „Fliegst du im Viertelfinale raus, bist du am Ende der Depp, dann war es eine schlechte Saison.“ Leiden die Eisbären etwa unter ihrer eigenen Dominanz in der Liga? So schlimm ist es wohl nicht, allerdings sind die Befürchtungen, in der ersten Play-off-Runde womöglich gegen einen schwächeren Kontrahenten rauszufliegen, nicht zu überhören. Mit Beginn der Endrunde „müssen wir unsere Herangehensweise und die Details im Spiel absolut verbessern“, sagt Trainer Don Jackson. „Die anderen Teams wissen, was auf sie zukommt. Wir bewegen uns jedoch in unbekannten Gewässern.“

Es stimmt die Eisbären offensichtlich nachdenklich, dass ihre Eishockeywelt meilenweit entrückt ist vom restlichen DEL-Kosmos. Während die anderen Klubs eifrig für die Play-off-Plätze trainieren, stehen bei den Berlinern am Donnerstag gerade mal sieben Spieler auf dem Eis. Die meisten von ihnen sind Rekonvaleszenten und werden im letzten Heimspiel der Hauptrunde am Freitag gegen die Krefeld Pinguine (19.30 Uhr) nicht auflaufen. Der Rest bereitet sich derweil mental vor – und erholt sich. Freiwillige Übungseinheit nennt sich das Konzept, bei der sich die verbliebenen Profis auf dem Eis die Zeit mit Schüsschen und Späßchen vertreiben. Locker sieht das aus. Zu locker? Stefan Ustorf ist zumindest bemüht, die Spannung aufrechtzuhalten. Beim Stretching gibt der Ersatzkapitän ebenso den Ton an wie außerhalb der Eisfläche. „Wir dürfen jetzt nicht Halligalli spielen, sondern müssen 100 Prozent geben“, sagt er.

Vielleicht ist es letztlich auch nur dieser Perfektionismus, der die Eisbären von anderen Teams unterscheidet – und der sie immer wieder zu Höchstleistungen treibt. „Eigentlich ist es doch so, dass die anderen in den Play-offs Angst vor uns haben und nicht umgekehrt“, sagt Stürmer Travis Mulock. Sein Kollege Stefan Ustorf dürfte in jedem Fall froh sein, dass die Haupt- bald von der Endrunde abgelöst wird. Wenn es in Best-of-five-Serien gegen je ein Team geht, wird er keine Probleme mehr haben, sich seine Gegner zu merken.

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