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DEL: Taktik per Telefon

Don Jackson gibt den Eisbären Anweisungen aus den USA. Der Tabellenführer der DEL lässt sich durch nichts erschüttern - auch nicht durch die Reiselust seines Trainers.

Jeff Tomlinson wirkt energisch. Der kleine Mann mit den dunklen Haaren pfeift, ruft, wirbelt mit den Armen. Dann aber, ganz plötzlich, fährt der Eishockeytrainer zur Bande. Tomlinson steht vor der Taktiktafel, beobachtet die Profis des EHC Eisbären wieder mit scheinbar stoischer Ruhe. Bevor das Training dann am Donnerstagmorgen vorbei ist, lässt der gebürtige Kanadier mit deutscher Staatsbürgerschaft noch Bullys üben. „Denn da haben wir noch Luft nach oben“, wird der Kotrainer des Tabellenführers der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) später sagen.

Das mit der „Luft nach oben“ ist dann fast eine gewagte Aussage, denn so ehrgeizig und energisch Tomlinson auf dem Eis wirkt – er ist nicht mal ansatzweise gewillt, die Rolle des Stellvertreters zu verlassen. Nur nicht sagen, dass hier bei den Eisbären irgendwas nicht optimal läuft. Könnte ja als Kritik am Chef verstanden werden, könnte ja vielleicht jemand glauben, dass der junge Trainer Tomlinson dessen Abwesenheit als Chance sieht: Dabei ist Don Jackson vergangenen Sonnabend reichlich überraschend für neun Tage in die Heimat verschwunden. Aus familiären Gründen sei er in der USA, sagte er. Jackson kann sich das leisten. Alles in Berlin-Hohenschönhausen hört auf sein Kommando. Jackson hat die Aufzeichnung vom 6:2-Sieg der Berliner am Sonntag in Straubing gesehen und daraufhin angeordnet, wie heute beim Spiel der Berliner gegen die Augsburg Panther (Beginn 19.30 Uhr, Sportforum) die Aufstellung auszusehen hat. „Rob Zepp wird im Tor stehen, hat Don gesagt“, sagt Tomlinson. Und wer hütet Sonntag beim Spiel gegen Duisburg das Eisbären-Tor? „Das wird Don dann entscheiden.“ Per Telefon natürlich, vor Dienstag wird der Cheftrainer nicht aus den USA zurückerwartet.

Die beiden Kotrainer Jeff Tomlinson und Hartmut Nickel sind „zwei Abteilungsleiter“, gibt Letzterer zu verstehen. „Jeff betreut die Stürmer, ich die Verteidiger“, sagt Nickel mit krächzender Stimme. Ja, ja das sei schon ein Kreuz mit der Stimme. „Das hatte ich schon mal zu DDR-Zeiten“, sagt Nickel. „Da hatte ich dann zwei Wochen Sprechverbot, das war gut.“ Für die Stimme natürlich.

Zurzeit gibt es kein Sprechverbot bei den Eisbären. Nur eines ist klar, die Ehrfurcht vor dem fehlenden Chef ist groß. Weder der 63-jährige Nickel noch der 37 Jahre alte Tomlinson wollen zu viel über ihre Mannschaft sagen. „Wir sprechen täglich mit Don, der ist immer noch Headcoach und hat die Entscheidungen zu treffen.“ Anscheinend hat er von seinem Wohnsitz in Wichita, im US-Bundesstaat Kansas, am Sonntag die richtigen Entscheidungen durchtelefoniert. „So viel war ja auch nicht anders beim Spiel in Straubing“, sagt Mannschaftskapitän Steve Walker. „Wir spielen ja Dons System. Jeder weiß hier, was er zu tun hat.“

Ein Team trainiert sich selbst, sozusagen. „Don geht es gut, alles läuft“, sagt Manager Peter John Lee. Die Eisbären lassen sich in dieser Saison durch nichts erschüttern, weder durch Verletzungen, hohe Niederlagen oder die Reiselust ihres Cheftrainers – auch nach 41 Spieltagen stehen sie immer noch an der Tabellenspitze der DEL. Und daran dürfte sich wohl auch heute kaum etwas ändern, nachdem mit den Augsburger Panthern ausgerechnet das auswärtsschwächste Team der Liga im Sportforum gespielt hat.

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