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Sport: Demontage im Derby

Mehmet Scholl schießt drei Tore beim 5:0-Sieg des FC Bayern München über den TSV 1860

München. Bauchweh schützt anscheinend nicht vorm Toreschießen. So ist wohl der gestrige Auftritt des Mehmet Scholl im Münchner Derby zu deuten. Da hatte der überragende Scholl drei sehenswerte Treffer erzielt und mit seinen Kollegen vom FC Bayern den lokalen Rivalen TSV 1860 im Münchner Derby mit 5:0 (0:0) demontiert und verriet dann hinterher, dass er Probleme mit dem Magen hatte und immer wieder zum Trainer geschaut habe. „Aber der ist heute stur geblieben“, sagte Scholl.

Ottmar Hitzfeld, Trainer des FC Bayern, hatte es also seiner Sturheit zu verdanken, dass er nach dem Spiel Sätze sagen durfte wie diesen: „Ich freue mich für Mehmet, dass er neunzig Minuten durchspielen konnte und der beste Mann auf dem Platz war.“ Etwa fünfmal schlechter war die Laune beim anderen Münchner Fußballverein. Einerseits war da der enttäuschende Besuch für den Gastgeber 1860 im kalten Olympiastadion. Offiziell sollen 64 000 Zuschauer da gewesen sein, dafür wirkten die Lücken auf den Tribünen doch erstaunlich groß. Und dann knickte 1860 nach passabler erster Halbzeit völlig ein und leistete sich die höchste Derbypleite seit über zwanzig Jahren.

„Ich muss mich bei den Fans entschuldigen für die dreißig Minuten, die da abgelaufen sind“, sagte Peter Pacult. Der Trainer von 1860 hatte falsch gezählt, lediglich 22 Minuten hatten die FC-Bayern-Festspiele gedauert. Begonnen hatte es mit einen Freistoßtreffer von Scholl (58. Minute), der von Pacult nachher abwechselnd in diversen Interviews als „perfekt“ und „genial“ apostrophiert wurde. Auch Kollege Ottmar Hitzfeld wurde für seine Verhältnisse überschwänglich: „Die Mannschaft hat sich in einen Spielrausch gesteigert – das passiert, wenn Ballast und Druck abfallen.“ Es war spätestens mit den Toren von Scholl zum 2:0 (69.) und Bixente Lizarazu zum 3:0 (72.) passiert. „Da hätten wir dicht machen müssen“, sagte 1860-Torwart Simon Jentzsch. Das allerdings hielten seinen Kollegen anscheinend nicht für nötig. Die Folge: Weitere Tore durch Claudio Pizarro (78.) und Scholl (80.). Eine unabwendbare Demontage sei das gewesen, tröstete Mehmet Scholl die Verlierer später: „Wir konnten uns einfach nicht mehr bremsen.“ Wie besonders der Tag für Scholl war, merkte man daran, dass er genau wusste, wann er zuletzt drei Tore erzielt hatte. „Das war vor elf Jahren – gegen den 1. FC Saarbrücken“, sagte Scholl.

Das letzte Tor bereitete Sebastian Deisler vor, der beim Zwischenstand von 4:0 einen weiteren gefahrlosen Eingewöhnungseinsatz beginnen durfte. Und da Scholl nun fast wieder der alte ist und Deisler auf einen guten Weg dahin zu sein scheint, droht nun – auch Michael Ballack sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden – ein fabulöses Mittelfeld der Bayern, in dem Scholl „einen riesigen Konkurrenzkampf“ erwartet. Für die Mitbewerber um die Meisterschaft bedeutet das wenig Hoffnung.

Dass diese Bayern auch von anderen kaum aufzuhalten sein dürften, tröstete Peter Pacult nur geringfügig. Er versuchte es mit Alltagsphilosophie und beschloss: „Es geht weiter im Leben.“ Ein anderer von 1860 flüchtete sich gar in recht absurde Träume. Angesprochen auf die Annäherungsversuche von Ottmar Hitzfeld, der kürzlich meinte, Benjamin Lauth wolle „sicher irgendwann auch einmal in der Champions League spielen“, meinte der neue Nationalspieler der Sechziger: „Natürlich will ich das irgendwann, aber das geht ja auch mit den Löwen.“ Nimmt man das gestrige Münchner Derby als Maßstab, wird Lauth noch eine Weile warten müssen, bis sich dieser Wunsch erfüllt.

Detlef Dresslein

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