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Sport: Demontage im Derby

Der FC Bayern siegt im Auswärtsspiel beim TSV 1860 mit 5:0 – Mehmet Scholl erzielt drei Tore

München. Es gab Zeiten, da wurden Eintrittskarten für das Derby gehandelt wie heißeste Ware, und es gab kaum Schwierigeres in München, als an eines der begehrten Tickets zu kommen. Gestern hätten Fans des TSV 1860 und des FC Bayern dafür bloß kurz vor Anpfiff zu einem der Kassenhäuschen am Olympiastadion gehen und etwas Geld auf das Schalterbrett legen müssen.

Beim Anpfiff aber waren viele der grünen Sitzschalen leer. Speziell den Spielern des TSV 1860 gelang es danach nicht, die abwesenden Fans von den Vorzügen eines Derby-Besuchs zu überzeugen. Mit 0:5 unterlagen die Gastgeber dem städtischen Rivalen von der Säbener Straße, der weiterhin mit acht Punkten die Bundesliga-Tabelle anführt.

In der ersten Halbzeit bot noch keines der beiden Teams Reklamematerial für den Münchner Fußball, stattdessen rationierten sie die Torraumszenen auf schmale drei: Zunächst zielte Bixente Lizarazu freistehend an den Pfosten (32.), einmal parierte Simon Jentzsch einen harten Ballack-Freistoß (36.), auf der Gegenseite reichte es gerade zu einem harmlosen Kopfball von Benjamin Lauth (40.). Es gab wenig, was die Zuschauer von der eisigen Kälte ablenkte, die sie umgab. „Kein Tempo, keine Bewegung, keine Dramatik – da fehlt alles“, nörgelte Bayerns Aufsichtsrat-Vorsitzender Franz Beckenbauer noch in der Pause.

Nach dem Wechsel spielten die Bayern, bei denen der erneut unauffällige Bastian Schweinsteiger zunächst den Vorzug gegenüber Zé Roberto erhalten hatte, druckvoller, doch zu großen Chancen kamen sie anfangs nicht. Nach 55 Minuten hallte das erste Mal Torjubel der Bayern durch das Stadion, doch die Freude der Roten war verfrüht. Schiedsrichter Fröhlich verweigerte dem Freistoß-Treffer von Owen Hargreaves die Anerkennung, weil Claudio Pizarro seinen Gegenspieler Martin Stranzl an der Abwehr gehindert hatte.

So brachte erst ein von Mehmet Scholl punktgenau in den Torwinkel gezirkelter Freistoß die Führung für den Tabellenführer. Der dienstälteste Münchner sorgte wenig später auch für das 2:0, als er einen Konter per Lupfer unhaltbar für Jentzsch abschloss. „Danach waren wir gedanklich und von der Konzentration her einfach nicht mehr auf dem Platz“, haderte Peter Pacult, der Trainer des TSV 1860, nach dem Abpfiff.

Die Kritik galt wohl vor allem seinen Abwehrspielern. Wie schlecht die Verteidigung der Sechziger funktionierte, zeigten die Tore zum 3:0 und 4:4. Zunächst nickte der nicht eben als Kopfball-Riese gefürchtete Bixente Lizarazu eine Flanke Zé Robertos ungedeckt aus fünf Metern ein, wenig später konnte Claudio Pizarro den Ball im gegnerischen Strafraum in aller Ruhe mit der Brust stoppen und recht ungehindert ins kurze Eck einschieben. „Wir wussten, dass die Sechziger die Konzentration nicht über 90 Minuten so hoch halten können“, sagte Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld, deshalb habe man auch nach der mäßigen ersten Hälfte Ruhe bewahrt.

Als „überragend“ lobte Hitzfeld seinen Mittelfeldspieler Mehmet Scholl. Der ehemalige Nationalspieler erzielte auch den Endstand. Der kurz zuvor eingewechselte Sebastian Deisler hatte in den Strafraum geflankt, Scholl vollendete mühelos aus kurzer Distanz. Das 0:5 war die höchste Derby-Niederlage der Sechziger seit 1981, damals unterlagen sie den Bayern 1:6. Zudem verloren die Blauen damit die letzten fünf Spiele gegen den Stadtrivalen.

Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass sich beim nächsten Derby wieder mehr Löwen-Fans Richtung Olympiastadion aufmachen.

Detlef Dresslein

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