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Sport: Den Leuchten geht ein Licht auf

Die neue Beleuchtungs-Generation: Ideenreich wird mit neuen Materialien und allerhand Stilklischees experimentiert

Leuchten gibt es wie Sand am Meer. „Für Designer und Architekten werden sie zunehmend zu dem Objekt, das früher einmal der Stuhl war – zum obligatorischen Entwurfsmöbel“, spekuliert der Berliner Interieurdesigner Gisbert Pöppler angesichts der vielen neuen Beleuchtungsmöglichkeiten, die von namhaften Gestaltern entworfen werden. Dabei eine bestimmte Richtung oder Tendenz ausmachen zu wollen, ist jedoch kaum möglich. Kunterbunt geht es derzeit die Stilrichtungen hoch und runter.

Schwer geschmückt hängen wieder dekadente Lüster von den Decken, ob aus Horn, Glas, Keramik oder Papier. Philippe Starck entwarf für die Firma Kartell einen neobarocken Tisch-Lüster aus federleichtem Kunststoff. Der aufstrebende niederländische Designer Tord Boontje gestaltete für Habitat den charmant verspielten Kronleuchter „Garland hanging light“ aus Papier. Auch die Schirmleuchten, lange wegen ihres biederen Auftretens im harmonischen Doppelpack gefürchtet, sind zurückgekehrt. Gerade hat sie Philippe Starck für Flos neu interpretiert mit der so genannten „Collection Guns“, bei der ein aufrechtes, original nachgegossenes Maschinengewehr als provokanter Fuß für einen gold gefütterten Schirm taugt.

Das berühmte französische Designpaar, die Brüder Ronan & Erwan Bouroullec, entwarf für das Schweizer Unternehmen Belux eine großartige Leuchte, die sowohl als Steh- und Hänge-Leuchte funktioniert und wie eine Mischung aus Benzinkanister und japanischem Lampion daherkommt. Trotz des leichten Kunststoff-Materials und den eher profanen Assoziationen wirkt „Lantern“ äußerst elegant und gibt ein wunderbar weiches Licht. Auch eine Neuheit bei Belux ist die als Decken-, Steh- und Bodenleuchte einsetzbare Lichtquelle „Jingzi“, die von den Basler Stararchitekten Jacques Herzog & Pierre de Meuron aus einem hypermodernen wabbeligen Kunststoff in Gestalt einer organischen Harnblase entworfen wurde. Würde man dem kühnen Entwurf noch zwei Augen und einen Schnabel hinzufügen, hätte man die schlabberige Hühnchenattrappe, die in der Science-Fiction-Parodie „Dark Star“ mit an Bord des Raumschiffs ging. Doch so witzig das Objekt ist – sein Licht ist angenehm warm und im Raum eröffnet „Jingzi“ mit seiner unkonventionellen Erscheinung schöne Gestaltungsfreiheiten.

„Eine neue Sensibilität in Sachen Licht“ glaubt auch der Berliner Kunstlichtplaner Arne Christian Brandes ausmachen zu können, der einige Jahre für die Schweizer Beleuchtungsfirma Zumbtobel Stuff und die italienische Firma Artimede gearbeitet hat, bevor er sich im letzten Jahr selbstständig machte. Zum einen, so Brandes, spiele das Objekthafte in der Beleuchtung wieder eine größere Rolle und zum anderen die Lichtquelle selbst, nicht zuletzt als Initiator für neue Designlösungen. Seit Thomas Edison vor über hundertzwanzig Jahren das Patent für die erste industriell gefertigte Glühbirne erwarb, waren es stets die Innovationen der Lichttechnik, die neben diversen Materialerfindungen immer wieder Raum für neue Gestaltungsideen gaben.

Nachdem in den siebziger und achtziger Jahren Leuchtstoff- und Neonröhren und dann die Halogen-Technik für Euphorie im Lichtdesign sorgte, steht jetzt ein weiteres Leuchtmittel in den Startlöchern: die LED-Technologie (lichtemittierende Dioden). Sie verspricht heller als die vertraute Glühbirne zu sein, deutlich weniger Strom zu verbrauchen und auch länger zu halten. Die verheißungsvollen Leuchtdioden werden bisher vor allem als erbsengroße Blinker in technischen Geräten, bei Taschenlampen und zunehmend auch im Automobilbau eingesetzt.

Erst Anfang der Neunziger wurde es in der knapp 50-jährigen LED-Forschungsgeschichte möglich, Leuchtdioden als weiße Lichtquelle strahlen zu lassen. Der deutsche Glühbirnen-Riese „Osram“, einer der führenden Hersteller von LEDs, hat nun angekündigt, für das nächste Jahr eine 200 Lumen helle weiße LED auf den Markt zu bringen. Pioniere bei der Umsetzung dieser Lichttechnik experimentieren mit der Innovation aber schon ein wenig länger. Ende der Neunziger begrüßte etwa der Münchner Lichtdesigner Ingo Mauer, der vor zwanzig Jahren die Niedervolt-Halogen-Revolution in Schwung brachte, die Leuchtdioden als „Chance, aus der Bürgerlichkeit auszubrechen, aus dem ‚guten Geschmack’“. „Bellissima Brutta“ nannte Maurer seine erste revolutionäre LED-Leuchte.

Inzwischen ist die ernsthafte Etablierung der Leuchtdioden schon fast erreicht. Der Designer Richard Sapper, der mit seiner Hightech-Arbeitsleuchte „Tizio“ von 1972 einen absoluten Klassiker kreierte, präsentierte mit viel Aufsehen in diesem Jahr etwa seine erste LED-Schreibtischleuchte. „Halley“ nennt sich der moderne Entwurf und wird von der amerikanischen Firma Lucesco produziert.

Wer noch einmal nachlesen möchte, welche Pfade die Lichtgestaltung seit Edisons Glühbirnen-Erfindung genommen hat, kann dies in der bibelschweren Doppelausgabe machen, die gerade der Taschen Verlag herausgegeben hat. Die äußerst informativen Bildbände sind als „Nachschlagewerk“ und „Inspirationsquelle für künftige Beleuchtungsdesigner“ gedacht. Die produktivste Phase des Leuchtendesigns datieren die Autoren auf die Zeitspanne von 1878 bis 1959. In dieser Zeit habe fast jeder wichtige Designer irgendwann einmal eine Leuchte gestaltet. Man könnte sagen: genauso wie heute.

1000 Lights. Vol.I: 1878 to 1959.1000 Lights. Vol.II 1960 to present. Jeweils herausgegeben von Charlotte & Peter Fierl. Taschen Verlag, Köln 2005. Je 29,99 Euro. Je 574 Seiten.

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