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Sport: Den Mund verbrannt

Hertha will lieber um die Champions League spielen, statt darüber zu reden

Als Dieter Hoeneß im Ostseestadion den Kabinentrakt erreichte, stellte sich der kleine Michael Hartmann dem massigen Manager von Hertha BSC in den Weg. Hartmann, der in Berlin keine Chance mehr hatte und deshalb im Winter zum FC Hansa Rostock gewechselt war, streichelte Hoeneß über die Wange. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Hartmann einmal Hoeneß Trost spenden müsste?

Es war ein Fußballnachmittag mit vertauschten Rollen. Die sonst so spielstarken Berliner, die nach Siegen über Bremen und Schalke mit viel Selbstvertrauen die Champions League in Angriff genommen hatten, versagten beim Tabellenvorletzten. Der FC Hansa mobilisierte alle Kräfte, spielte mit Einsatz, Willen und Leidenschaft, Hertha war dazu an diesem Tag nicht bereit. Der Rostocker Trainer Jörg Berger sprach von einem verdienten 2:1. Seine Mannschaft habe gezeigt, „dass wir uns noch nicht aufgegeben haben“. Für sein weiterhin stark abstiegsbedrohtes Team gebe es jetzt „nur noch einen Befehl: alles oder nichts“. Auch Hoeneß wollte eine Botschaft zurücklassen: „In der nächsten Woche wird bei uns keiner das Wort Champions League in den Mund nehmen.“

Der Manager von Hertha glaubt, die Wurzel des Übels gefunden zu haben. Die Champions League rede man nicht herbei, sondern sie erspiele man sich, meinte er sichtlich verärgert. In den Tagen vor dem Spiel in Rostock hätten zu viele von der Champions League geredet, „die drei Punkte von Rostock waren gedanklich schon eingefahren“, monierte Hoeneß. Herthas Trainer wurde noch deutlicher: Die „ganze Quäkerei“ von der Champions League hätte seine Mannschaft gelähmt. Gleichwohl mochte Götz nicht alles in Zweifel ziehen. Auf dem Weg zu einer Spitzenmannschaft gibt es Rückschläge. Rostock war so einer. „Wir haben ein schlechtes Spiel gemacht“, sagte Götz, „aber ich denke, dass das eine Ausnahme war.“

Über das spielerische Potenzial für einen Platz in der gehobenen Gesellschaft der Liga verfügt Hertha ohne Zweifel. In vielen heiklen Spielen der Saison hat das Team bewiesen, dass es richtig zu reagieren weiß. Keine andere Mannschaft ist im direkten Vergleich mit den besten sechs Mannschaften erfolgreicher als die Berliner. Und doch fehlt noch ein Stückchen für ganz oben: der produktive Umgang mit einer offensiven Zielsetzung. Beispiel Bayern München. Vom ersten Saisonspieltag sind die Münchner Profis dem Druck ausgesetzt, Meister werden zu müssen. Denen gelingt es, diesen Druck in positiven Stress umzuwandeln, findet Götz: „Wenn man es schafft, so ein Virus in unsere Mannschaft zu injizieren, ist der nächste Schritt geschafft.“ Noch aber ist Hertha BSC nicht auf diesem Niveau. Die Spieler, die im vergangenen Jahr gegen den Abstieg spielten, können die Erwartungen im Umfeld sowie die Aufgeregtheiten innerhalb des Vereins nicht in positive Energie umwandeln. „Die ganze Woche wurde bei uns über die Champions League gesprochen“, sagte Kapitän Arne Friedrich, „dabei sind wir vorher gut damit gefahren, nur von Spiel zu Spiel zu denken.“

Zu diesem Prozedere will Falko Götz zurückkehren. „Wir reden nicht mehr über Ziele, sondern über Gegner, über den jeweils nächsten Gegner“, sagt der Trainer. Am Dienstag wird er die Spieler um sich versammeln. Alle sollen die Unzulänglichkeiten vom Wochenende gemeinsam analysieren. Das Spiel in Rostock sei so eines, wo man die Mannschaft „so richtig mit der Nase reinstecken“ könne, sagte Götz. Danach wird der Trainer viele Einzel- und Gruppengespräche führen. Bei Hertha solle sich aber niemand zu lange mit dem aufhalten, was war, sondern sich dem widmen, was kommt und noch geht.

Als Arne Friedrich das Trainingsgelände am Sonntag verließ, war die Angst vor dem Versagen verflogen. Zwei der drei ausstehenden Saisonspiele bestreitet Hertha daheim. „Da lassen wir uns jetzt nicht aus der Ruhe bringen“, sagte der Kapitän. Niemand solle sich Hertha mehr in den Weg stellen, schon gar nicht, um die Berliner nach Niederlagen zu trösten.

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