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Sport: „Den Schläger nehme ich nicht mit“

Jörg Roßkopf über seine neue Aufgabe als Bundestrainer, die EM, Timo Boll und verschwitzte Trikots

Herr Roßkopf, am Freitag beginnt die Europameisterschaft in St. Petersburg, und Sie fahren zum ersten Mal als Bundestrainer mit. Dabei spielen Sie doch selbst noch in der Bundesliga. Fühlen Sie sich überhaupt schon als Trainer?

Zurzeit bin ich mehr Spieler. Aber ich denke mehr und mehr als Trainer. Ich beobachte die Spieler aus einer anderen Perspektive und gebe ihnen Anweisungen. Und beim Lehrgang der Nationalmannschaft habe ich es kategorisch abgelehnt, selbst mitzuspielen. Da hatte ich meinen Schläger extra nicht mitgenommen.

Mit Timo Boll haben Sie lange im Verein und in der Nationalmannschaft gespielt. Jetzt sollen Sie ihm erklären, wie er besser wird. Ist das ein Problem?

Nein, zuletzt war ich nicht mehr bei seinen Lehrgängen, da habe ich ein bisschen Abstand gewonnen. Es gibt jedenfalls bei ihm viele Sachen, die er verbessern kann.

Das ist nun auch Ihre Aufgabe.

Ich versuche, die Trainingsschwerpunkte ein bisschen zu verändern, weil sich Tischtennis sehr verändert hat.

Was meinen Sie damit?

Im Tischtennis liegt der Schwerpunkt mittlerweile auf dem ersten Ball. Der muss einfach gut sein. Unsere Spieler sind zwar in langen Ballwechseln gut ausgebildet, aber beim Aufschlag und Rückschlag haben sie noch Defizite, gerade gegenüber den Asiaten. Man muss also aggressiver auf den ersten Ball gehen. Das wird auch bei Timo bemängelt, dass er das nicht so gut kann.

Haben Sie beim ersten Lehrgang gesagt: So, ich bin jetzt euer Trainer?

Ich habe am Anfang eine Rede gehalten und gesagt: Klar, es ist zuletzt alles sehr gut gelaufen. Bei Olympia hat die Mannschaft Silber gewonnen. Aber es gibt noch viele Schwächen, beim ersten Ball etwa. Ich habe das selbst auch nicht so trainiert, deshalb ist es vielleicht ein bisschen komisch, wenn ich das nun fordere.

Warum haben Sie anders trainiert?

Das Problem ist: Ich habe früher lieber hart trainiert. Aber Aufschlag-Rückschlag erfordert eine hohe Konzentration. Für mich war eher wichtig, dass das Trikot nass war, wenn ich vom Training aus der Halle kam. Dann war ich natürlich auch erfolgreich, da ändert man ungern etwas. Ich hätte es auf jeden Fall mehr machen müssen.

Wie werden Sie die Mannschaft für die EM nun einstellen?

Für die Spieler ist das eine sehr schwere Meisterschaft. Nach Olympia und dem World Cup sind viele müde, auch mental. Auch Timo hat nach Olympia nicht so viel trainiert. Daher ist diese Meisterschaft nicht der Maßstab, den ich als Trainer anlegen werde. Da muss man schon langfristig denken.

Wie langfristig denken Sie denn?

Mein Vertrag läuft erst einmal ein Jahr auf Honorarbasis für 100 Tage, auch weil ich eben in Jülich noch in der Bundesliga spiele. Ich will einfach mal reinschnuppern und sehen, ob mir das so viel Spaß macht, wie ich denke.

Sie sind jetzt 39 Jahre alt. Waren Sie etwas melancholisch, als Sie gesehen haben, dass der Schwede Jörgen Persson in Peking mit 42 das Halbfinale erreicht hat?

Nein, melancholisch nicht. Jörgen ist mit der Einstellung reingegangen, dass er etwas erreichen kann. Wir erfahrenen Spieler wissen eben, wie man unter Druck spielt. Und spielerisch sind wir einfach ganz gut. Aber es ist eigentlich enttäuschend von den jungen Spielern, dass er so weit gekommen ist. Im Halbfinale der Olympischen Spiele müssten eigentlich andere stehen.

Welchen Satz werden die Spieler nie von Ihnen als Trainer hören?

Früher habe ich gegen den so gespielt.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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