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Beifall für den Staatsfeind? Dennis Rodman besuchte gemeinsam mit Kim Jong Un und dessen Frau in Pjöngjang ein Basketballspiel. Dabei wunderte er sich über den langanhaltenden Applaus für den nordkoreanischen Diktator.

© dpa

Dennis Rodman in Nordkorea: Mein Freund, der Diktator

Ist es Basketball-Diplomatie oder einfach Wahnsinn? Warum sich der ehemalige NBA-Profi Dennis Rodman in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang mit Kim Jong Un traf.

Einige Monate lang haben Südkoreas Regierung und Medien über ein nordkoreanisches Staatsgeheimnis spekuliert: Ist der Diktator Kim Jong Un Vater geworden? In der Frage schwang auch die politische Hoffnung mit: Ist er damit verantwortungsbewusster geworden? Als Indizien für die Vaterschaft galten der schlankere Körper seiner Gattin – und ihre neue Haarfarbe. Und weil Nordkoreas Propaganda nicht darüber berichtet, müsse es eine Tochter sein, spekulierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap weiter. In Asien gelten Jungen für die Familie als wertvoller. Die Nachrichtenagentur hätte es sich allerdings auch leichter machen können – sie hätte einfach Dennis Rodman fragen können.

„Sie sprach die ganze Zeit über ihre hübsche Tochter“, erzählt der 52 Jahre alte exzentrische Basketballstar in dieser Woche in einem Interview. „Der Wurm“ – so lautete einer seiner Spitznamen während seiner NBA-Karriere – hatte Anfang März den jungen nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un und seine Frau getroffen. Diese Begegnung macht professionelle Analysten der Lage in Nordkorea ratlos: Ist das ein Versuch von Basketball-Diplomatie – oder eine weitere Irrationalität des verarmten nordkoreanischen Regimes?

Gegenwärtig erschreckt das nordkoreanische Regime die Welt mit einer beispiellosen Kriegsrhetorik. Als Reaktion auf die verschärften Sanktionen der Vereinten Nationen kündigte es den Waffenstillstandsvertrag mit Südkorea aus dem Jahr 1953 auf und drohte den USA sogar mit einem Atomschlag. Vor diesem gefährlichen Hintergrund ist es umso wichtiger, die Person des wahrscheinlich 30 Jahre alten Diktators besser einschätzen zu können, der seit dem Tod seines Vaters im Dezember 2011 das abgeschlossene und hochgerüstete Land führt. Warum trifft sich Kim Jong Un nicht mit dem nach Nordkorea gereisten Google-Chef Eric Schmidt oder dem ehemaligen US-Gouverneur Bill Richardson – und stattdessen mit dem gepiercten, tätowierten und gelegentlich in Frauenkleidern auftretenden Dennis Rodman? 

„Er ist nicht besonders intellektuell“, sagt ein hochrangiger Nordkorea-Experte über den Machthaber, er kenne sich offenbar in der internationalen Politik kaum aus. Dafür spricht, dass Kim Jong Un offenbar dem ehemaligen Spieler der Chicago Bulls auf den Weg gegeben hat, US-Präsident Barack Obama solle ihn anrufen. Politisch ein absurdes Anliegen, nicht nur angesichts Nordkoreas aktueller Kriegsrhetorik. Die US-Regierung antwortete, Nordkorea wisse, über welche Kanäle sie zu erreichen sei. Über Dennis Rodman offensichtlich nicht.

Für Nordkorea war die Begegnung ein Erfolg

Der Exzentriker, der eine Affäre mit Madonna hatte und mit Carmen Electra verheiratet war, war für einen Basketball-Dokumentationsfilm gemeinsam mit drei Spielern der Harlem Globetrotters nach Nordkorea gereist. Er war der bisher erste und einzige US-Amerikaner, der den jungen Diktator nach dessen Amtsantritt getroffen hat. Gemeinsam sahen sie ein Basketball-Demonstrationsspiel, er folgte sogar einer Einladung in Kim Jong Uns Palast in Pjöngjang. Anschließend bezeichnete er den Diktator des menschenverachtenden Systems als „Freund“ und „großartigen Kerl“.

Seine Beobachtungen wirken mehr als naiv. „Es heißt, es gibt Arbeitslager in Nordkorea, aber damit ist Nordkorea nicht allein“, sagte er der Boulevardzeitung „Sun“. Oder: „Als ich zum Basketballspiel mit Kim ging, waren dort 10.000 Menschen – sie haben noch 25 Minuten nach seiner Ankunft geklatscht und seinen Namen gerufen.“ Kim habe sie aufgefordert, damit aufzuhören. „Aber sie haben es nicht getan.“ Willkommen in Nordkorea, Dennis Rodman, dem Land mit dem von Propaganda und Erziehungssystem unablässig geförderten quasireligiösen Führerkult.

Für Nordkorea war die Begegnung ein Propagandaerfolg. Vor allem aber scheint Kim Jong Un einer alten Jugendleidenschaft nachgekommen zu sein. Schon sein Vater Kim Jong Il galt als Basketballfan, der sich beim bisher letzten offiziellen Besuch eines hochrangigen US-Regierungsvertreters in Pjöngjang von der damaligen Außenministerin Madeline Albright einen von Michael Jordan persönlich unterschriebenen Basketball mitbringen ließ. Als Kim Jong Un im Alter von zwölf bis 15 Jahren offenbar unter dem Namen „Pak Un“ an einem Berner Internat zur Schule ging, hatte er in seinem Zimmer zahlreiche Basketballposter der Chicago Bulls. Mindestens einmal fuhr ihn ein Wagen der nordkoreanischen Botschaft nach Paris zum NBA-Vorbereitungsspiel. „Er liebt Basketball und erzählte mir, dass er mein Trikot mit der Nummer 91 seit seiner Kindheit jeden Tag getragen hat“, berichtete Dennis Rodman.

Der Ex-Basketballer jedenfalls ist begeistert von Nordkorea und will wieder dorthin. Seine Begeisterung findet allerdings keine ungeteilte Zustimmung. Als er neulich in seinem Lieblingshotel in New York an der Bar saß, soll er laut „New York Post“ jedem erzählt haben, was für ein toller Typ Kim Jong Un sei. Außerdem forderte er die Gäste auf, ein Manifest des Diktators zu lesen. Der Barkeeper ließ ihn aus dem Hotel werfen.

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