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Gegenwart und Zukunft: Einen zweiten Dirk Nowitzki (l.) wird es im deutschen Basketball nie geben. Aber Dennis Schröder (r.) wird eine große Karriere zugetraut.

© imago

Dennis Schröder: Furchtlos bei den Größten in der NBA

Dennis Schröder stiehlt Dirk Nowitzki schon die Show als bester deutscher Basketballer in der NBA – dabei ist er ein ganz anderer Typ.

Dirk Nowitzki sieht immer noch ziemlich geplättet aus, als er aus der Dusche kommt und in ein Handtuch gewickelt durch die Gästekabine von Atlantas Basketball-Arena schlurft. Seine Dallas Mavericks haben verloren, ziemlich deutlich sogar mit 87:104, er selbst kam nur auf vier Punkte. „Boah, Dennis war heute echt gut“, stöhnt der 36-Jährige, nachdem er sich auf den Platz in seiner Umkleide fallen gelassen und einmal tief durchgeatmet hat.

Die Rede ist vom jungen deutschen Aufbauspieler Dennis Schröder, der für die Atlanta Hawks spielt und Nowitzki am vergangenen Mittwoch wie schon beim letzten Aufeinandertreffen der beiden mit 17 Punkten die Show stahl. „Ich weiß auch nicht, irgendwie blüht der gegen uns total auf“, sagt Nowitzki und guckt schulterzuckend ins Leere.

Kontrast zu Nowitzki

Gegen seinen Landsmann sei er besonders motiviert, erzählt ebendieser Dennis Schröder ein paar Meter den Flur hinunter vor seinem eigenen Spind in der Kabine der Hawks. Überhaupt muss der 21-jährige Braunschweiger viel erzählen an diesem Abend, an dem der Nachfolger das Vorbild überflügelt hat. Zumindest diesmal war Schröder der beste deutsche Basketballer in der NBA. Und eben nicht Nowitzki, dessen Karriere sich allmählich dem Ende nähert. Dennis Schröder aber fängt gerade erst an.

Mehrere Reporterteams umzingeln Schröder, der lässig in einem Drehstuhl sitzt und frisch gestylt ist: Ledernes Oberhemd mit goldenem Reißverschluss, Lederhose, Sneaker, alles aufeinander abgestimmt. Dazu der blondgefärbte Haarstreifen über der Stirn, sein Markenzeichen. Der Kontrast zu Nowitzki könnte kaum größer sein, nicht nur äußerlich.

Hier einfache Verhältnisse, dort Mittelstand

Einen deutschen Basketballer wie den 2,13 Meter großen Nowitzki, inzwischen siebtbester Werfer der NBA-Geschichte, wird es wohl kein zweites Mal geben. Im Falle des 1,85 Meter großen Schröder verbietet sich der Vergleich schon aufgrund des unterschiedlichen Körperbaus und der gegensätzlichen Spielweise. Schröder ist vom Typ eher ein Straßenbasketballer, ein „Zocker“. Klein, schnell, trickreich. Was ihn auszeichnet, ist sein enormes Selbstvertrauen. Sein Trainer, Mike Budenholzer, muss schmunzeln: „Das macht ihn so einzigartig. Ihn auf dem Boden zu halten ist Teil unserer Arbeit.“

Von sich selbst überzeugt war Schröder schon immer. In Deutschland wurde ihm deswegen oft Arroganz und Respektlosigkeit vorgeworfen. Dabei wuchs er in einfachen Verhältnissen auf, sein Vater starb 2009 und Dennis half im Friseursalon seiner Mutter aus. Immer wieder eckte Schröder an, in Braunschweig oder bei den Junioren-Nationalteams. Ein großer Unterschied zu Nowitzki, dem braven Mittelstandsjungen aus Würzburg.

Schröder: "Einige werden sich wundern, was passiert ist"

Auf dem Basketballplatz kann Respektlosigkeit allerdings durchaus vorteilhaft sein. Denn genauso spielt Dennis Schröder: selbstbewusst und furchtlos. Der Aufbauspieler scheut kein Duell, egal wie groß oder namhaft der Gegner ist. Auch Nowitzki muss an diesem Abend einmal dran glauben, als Schröder das Duell in der Zone gegen ihn aufnimmt, zum Korb zieht und den Ball über die ausgestreckten Arme des Würzburgers hinweg in den Korb legt. „Ich will mich jeden Abend mit den Besten messen“, sagt Schröder. Eine Einstellung, die vielleicht den entscheidenden Unterschied zu anderen deutschen Talenten ausmacht. „Ich war einer, der immer gewinnen musste, der jedes Mal hart gespielt hat, auch im Training“, sagt er, „viele Trainer haben das kritisiert, weil sie es vorher noch nie gesehen hatten. Aber genau das hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin.“ Und fügt hinzu: „Einige der Leute von früher werden sich bestimmt wundern, was passiert ist.“

Passiert ist nämlich, dass der erst 21 Jahre alte Schröder es in nur zwei Jahren in der NBA zu einem wichtigen Akteur im aktuell zweitbesten Team der stärksten Liga der Welt geschafft hat. Mit seinem sportlichen Aufstieg bei den Atlanta Hawks ist Schröder auch als Persönlichkeit gereift. „Es ist einfach großartig zu sehen, wie Dennis außerhalb des Spielfelds wächst“ schwärmt der Trainer. Mitspieler Kyle Korver ergänzt: „Dennis hat sich auch mental sehr gut entwickelt. Er akzeptiert seine Rolle.“

"Schru-dör" hat sich etabliert in Atlanta

Schröder hat zwar noch keinen Platz in der Startformation, doch er bringt als Einwechselspieler konstant entscheidende Impulse. Die Hawks, aktuell Spitzenreiter der Eastern Conference, sind ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig im Basketball eine starke Ersatzbank sein kann – nicht zuletzt dank Schröder, der im Schnitt auf 18,2 Minuten Einsatzzeit, 8,6 Punkte und 3,6 Assists pro Spiel kommt.

Er ist ein fester Bestandteil der Hawks und hat allmählich einen Namen in Atlanta. „Überall, wo ich hinkomme, sagen mir die Leute, dass mir die Zukunft gehört“, erzählt „Schru-dör“, wie die Amerikaner ihn nennen. Durch seine explosiven Offensivaktionen hat er das Potenzial zum Publikumsliebling und auch die Rolle als Deutscher bringt ihm Sympathien: Eine der Filmsequenzen, die während der Auszeiten zur Unterhaltung der Zuschauer über den Videowürfel in Atlantas Arena flimmern, heißt „Deutschunterricht mit Dennis“. Schröder gibt Vokabeln vor und seine Teamkollegen brechen sich dann an Wörtern wie „Geschwindigkeitsbegrenzung“ die Zunge. Die Halle lacht.

Umzug in wohlhabenden Stadtteil

Vor eineinhalb Jahren war der Schritt nach Atlanta eine große Herausforderung für den damals 19-Jährigen. Aus Braunschweig hinüber in die Südstaaten-Metropole mit dem größten Flughafen der Welt. Im Sommer ist es hier unerträglich heiß, in diesen Tagen ist die Stadt im Bundesstaat Georgia wie der Rest des Landes von eisigen Temperaturen überzogen. Atlanta ist eine typische US-Großstadt, in der sich täglich endlose Autokolonnen aus den Vororten über die Interstate 85 quälen.

Dennis Schröder ist umgezogen, wohnt jetzt in Buckhead, dem wohlhabendsten Stadtteil nördlich des Zentrums. Früher war hier die Partymeile Atlantas, mittlerweile dominieren Bürotürme, teure Luxusapartments und noble Boutiquen das Bild. Passend für den modebegeisterten Schröder. Von Buckhead sind es etwa 20 Minuten Fahrzeit bis zur Arena und dem Trainingszentrum der Hawks – wenn es nicht mal wieder Stau gibt. „Es ist schon alles sehr anders hier“, sagt Schröder. „In Deutschland konntest du Fahrrad fahren, hier macht man wirklich alles mit dem Auto.“ Um sich das Leben einfacher zu machen, hat der Familienmensch Schröder seinen Bruder und seine Freundin aus Deutschland zu sich geholt. Sie helfen ihm dabei, so zu bleiben, wie er immer war, sagt Schröder. „Wir machen einfach alles so wie früher.“

Der Sohn einer gambischen Mutter und eines deutschen Vaters hat es aus einfachen Verhältnissen zum Erfolg geschafft – und zu 1,69 Millionen Dollar Gehalt allein für diese Saison. Das Geld investiert er vor allem in die Familie. Kürzlich hat er den Verwandten in Deutschland ein neues Auto gekauft. Auch von den in Gambia lebenden Angehörigen „hat jetzt keiner mehr Probleme“, wie Schröder versichert. Seine Mutter und die anderen sollen ebenfalls nach und nach zu ihm kommen. Ein neues Leben für die ganze Familie. Dennis regelt das.

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