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Keine Grenzen. Sebastian Polter feiert vor den Union-Fans.

© Reuters/Annegret Hilse

Der 1. FC Union feiert den Aufstieg: "Herr Ruhnert, wo ist das Bier?"

Am Montag um 22.28 Uhr begann der Partymarathon für den 1. FC Union. Der Marathon, in dem sich der angesammelte Druck der gesamten Saison entlädt.

Es liegt etwas in der Luft rund um die Alte Försterei. Die Luft riecht nach frischem Regen und feuchtem Waldboden, auf dem Weg zum Stadion spielt ein Mann auf einem Dudelsack, die Klänge mischen sich mit denen eines Leierkastenspielers auf dem Stadionparkplatz und den Gesängen der Fans auf den Tribünen. Doch es sind keine Gerüche, keine Töne, die die Stunden vor dem größten Moment in der Vereinsgeschichte des 1. FC Union bestimmen, es ist ein Gefühl.

Wie vor einer gut vorbereiteten Abschlussprüfung ist es eine diffuse Mischung verschiedenster Emotionen. Es kribbelt tief unten im Bauch, da ist Anspannung vor dem entscheidenden Spiel, Druck, aber auch Vorfreude. Vorfreude auf die große Chance und alles, was danach kommt. Auf den Moment, in dem der angesammelte Druck von Stunden, Tagen, Wochen und Monaten, der Druck einer gesamten Saison abfällt. Und in eine riesige Party kulminiert.

Um 22 Uhr, 28 Minuten und genau eine Sekunde ist es soweit. Die Fans des 1. FC Union singen seit Monaten von diesem Moment. „Die Zeit ist jetzt gekommen, ihr werdet’s alle sehen“, schallt es auch am Montag immer wieder durch das ausverkaufte Stadion. Nun ist die Zeit wirklich gekommen und es gibt kein Halten mehr.

Als Schiedsrichter Christian Dingert das Relegations-Rückspiel beim Stand von 0:0 abpfeift und Union dadurch in die Bundesliga aufsteigt, strömen die Fans auf den Rasen. Tausende Fans. Stadionsprecher Christian Arbeit, dem später am Abend von Stürmer Sebastian Polter die charakteristisch lange Haarpracht abrasiert wird, mahnt zur Vorsicht beim Platzsturm, doch seine Rufe gehen unter in den Jubelschreien der Fans.

Für Michael Parensen wiederholt sich Geschichte

Innerhalb weniger Minuten ist der grüne Rasen nicht mehr zu sehen, die Spieler verschwinden in einem roten Meer aus singenden, tanzenden und weinenden Zuschauern. Michael Parensen, seit zehn Jahren im Verein, hat schon beim letzten Aufstieg 2009 in die Zweite Liga mitgespielt und wird von den Fans besonders gefeiert. „Pa-ren-sen, Pa-ren-sen!“, rufen sie und wie in Rockstar bei einem Konzert wird er von ihnen auf Händen durch die Menge getragen. „Ich kann niemanden mitnehmen in meine Gefühlswelt“, sagt der Gefeierte kurz darauf. „Was wir in dieser Saison geleistet und heute reingehauen haben – mehr geht nicht. Es war unglaublich! Wir wussten, dass wir eine gute Mannschaft haben. Aber man braucht viel Glück. Ein Traum ist wahr geworden.“

Nach 30 Jahren ist Union wieder erstklassig und zum ersten Mal überhaupt spielt der Klub in der Bundesliga. Präsident Dirk Zingler ist überwältigt von der Situation und kann die Tränen nicht zurückhalten. „Union und Bundesliga – das hört sich für mich komisch an. Auch wenn ich 40 Jahre auf diesen Tag gewartet habe. Wenn es so weit ist, fühlt es sich komisch an, total komisch“, sagt Zingler, der den Abpfiff vor lauter Aufregung nicht auf der Tribüne, sondern auf der Toilette erlebte.

Urs Fischer versucht sich an einer sachlichen Analyse des Spiels, doch die interessiert niemanden. Nach einer Bierdusche auf dem Rasen spricht er dann ungewohnt emotional. Es fühle sich „einfach geil“ an, sagt er und entschuldigt sich sofort für seine Wortwahl. Der Trainer spricht von einem „unbeschreiblichen Gefühl“ und dankt dann, ganz Fischer, dem ganzen Verein, „von der Waschfrau bis zur Marketingabteilung.“

Polter will "72 Stunden feiern oder 500 Stunden"

Die Feierlichkeiten verlagern sich vom Rasen in die Katakomben. Stürmer Polter, der in der Relegation zwar keine Minute spielte, aber die Party anführt, läuft mit dem Morgenstern von Maskottchen Ritter Keule herum und hat sich ein rotes Tuch um den Kopf gebunden. Seine Schuhe hat er noch auf dem Rasen in die Menge geworfen, später am Abend läuft er leichtbekleidet durch den Kabinengang. „Ich habe jetzt schon keine Stimme mehr“, sagt Polter. „Wir werden jetzt 72 Stunden feiern oder 500 Stunden. Ich hab keine Ahnung.“

Aus der Kabine dröhnt laute Musik und immer wieder werden Getränke nachgeliefert. Wenn es damit mal zu lange dauert, gehen die Spieler selbst auf die Suche. Florian Hübner und Felix Kroos unterbrechen eine Interview-Runde von Manager Oliver Ruhnert mit einem wichtigen Anliegen. „Herr Ruhnert, jetzt hör auf, so seriös zu tun und kümmer dich um die Thematik Bier. Wo ist das Bier?“ So geht es noch stundenlang weiter, bis in den frühen Morgen. In den Katakomben. In der Loge, wo die Spieler ihre Party fortsetzen. Auf dem Rasen. Und in ganz Köpenick. Die Zeit ist jetzt gekommen.

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