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Reife Leistung. Vince Carter (r.), hier noch im Trikot der Memphis Grizzlies, punktet nun für die Atlanta Hawks.

© Steve Dipaola/dpa

Der älteste Spieler der NBA: Vince Carter hat mehr Erfahrung als der Coach

Vince Carter ist auch mit 41 Jahren noch in der NBA gefragt. Ein Besuch in Atlanta zum Saisonstart der nordamerikanischen Profiliga im Basketball.

Für europäische Ohren klingt der Begriff recht martialisch, im US-Sport ist er dagegen absolut gebräuchlich: Veteran – so nennen sie in den vier großen Sportligen der Vereinigten Staaten Spieler, die schon viele Profi-Jahre auf dem Buckel haben und trotzdem noch dabei sind, Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Spieler, die es einfach nicht lassen können.

Einer dieser Veteranen sitzt Anfang Oktober im Emory Sports Medicine Complex, einem riesigen Trainings- und Gesundheitszentrum im Nordwesten Atlantas, das sich der lokale Basketball-Klub, die Atlanta Hawks, in der Sommerpause mal eben hat bauen lassen. Bei der alljährlichen Talentwahl (Draft) waren die Hawks in diesem Jahr zuerst dran, sie durften sich also den vermeintlich besten College-Spieler aussuchen und entschieden sich für Trae Young. Genau wie seine Teamkollegen steht der 21-Jährige beim sogenannten Media Day ausführlich Rede und Antwort, die Prozedur erstreckt sich über mehrere Stunden. Die größte Reportertraube bildet sich allerdings nicht um Young oder andere hoffnungsvolle Talente. Sie bildet sich um: Vince Carter.

Im neuen Outfit. Künftig spielt Carter für die Hawks.
Im neuen Outfit. Künftig spielt Carter für die Hawks.

© AFP

Der 41-Jährige, geboren in Daytona Beach in Florida, ist eine lebende Legende. Wenn in der Nacht zu Mittwoch die neue Saison in der NBA beginnt, geht Carter bereits in sein 21. Profi-Jahr. Nur die Center Robert Parish (1976 bis 1997) und Kevin Garnett (1995 bis 2016) haben diese Marke bisher erreicht. In der neuen Spielzeit rückt neben Carter nun auch Dirk Nowitzki in den elitären Kreis der NBA-Spieler mit der längsten Halbwertszeit auf. „Als Einwechselspieler muss man sofort da sein, und ich war immer ein langsamer Starter. Vielleicht trinke ich künftig einen Extra-Kaffee“, hat Nowitzki kürzlich über seine neue Rolle gesagt, die ihn in Dallas erwartet; der Würzburger wird künftig entgegen aller Gewohnheiten vorwiegend von der Bank ins Spiel kommen. Genau wie Carter.

Nach der Saison will Carter als TV-Experte arbeiten

In der NBA des 21. Jahrhunderts haben mittlerweile viele Teams solche Veteranen, die ihre Erfahrung an den Nachwuchs weitergeben sollen. „Ich mache das nicht, weil ich noch Geld verdienen muss“, sagt Carter, „ich mache das, weil ich Spaß daran habe.“ Diese These bestätigt auch ein Blick in Carters Vertragswerk: für sein vermutlich letztes Profijahr hat er zu minimalen Bezügen in Atlanta unterschrieben; danach will Carter als TV-Experte arbeiten.

Die Athletik, um in der besten Basketball-Liga der Welt zu bestehen, hat er derzeit noch. Carter ist so drahtig und muskulös gebaut wie kurz vor der Jahrtausendwende. Damals eroberte er die NBA im Sturm, seine spektakulären Slam Dunks landeten regelmäßig in den Highlight-Schleifen der TV-Sender und brachten ihm den Spitznamen „Air Canada“ ein. Dieser hing nicht zuletzt mit dem Klub zusammen, für den Carter damals spielte: die Toronto Raptors. Über Carters Einfluss auf die traditionell eishockeyverrückte Stadt im Süden Kanadas ist sogar ein Dokumentar-Film entstanden: „The Carter Effect“ beleuchtet den Aufstieg Torontos zu einer Metropole, in der neben dem Nationalsport auch Basketball seine Berechtigung findet. „Das war vor langer, langer Zeit“, sagt Carter, darauf angesprochen, „was seitdem alles passiert ist…“

Im Gegensatz zu Dirk Nowitzki, der alle 21 Profi-Jahre bei seinen Dallas Mavericks verbracht hat, ist Carter ordentlich herumgereicht worden, insgesamt bringt er es auf acht NBA-Klubs. Stationen, auf denen er viel erlebt hat. „Ich habe eigentlich alles gesehen“, sagt Carter. Nur für eine Meisterschaft hat es nie gereicht – und in Atlanta wird sich das in dieser Saison auch kaum ändern: die Hawks arbeiten weiter an ihrem „Rebuild“, wie man im US-Sport sagt. An der Zusammenstellung eines neuen, perspektivischen Teams also.

Dass Carter nur ein Jahr jünger ist als Trainer Lloyd Pierce, „wird überhaupt kein Problem sein“, verspricht er und erzählt zum Abschluss noch eine Anekdote aus 21 Profi-Jahren NBA. „Einmal“, sagt Carter, „war der Besitzer des Teams, für das ich gespielt habe, sogar jünger als ich.“ So etwas können nur Veteranen sagen.

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