zum Hauptinhalt
Souvenirjäger. Helmut Haller (l.) trifft an Bobby Moore vorbei. Das WM-Finale 1966 verlor er, den Ball aber behielt er. Foto: dpa

© dpa

Sport: Der Ball bleibt

Helmut Haller stirbt im Alter von 73 Jahren. Er war ein Idol, nicht nur wegen der WM 1966.

Als Helmut Haller vom Platz ging, waren die Lippen zusammengepresst und die strohblonden Haare leicht zersaust. Mit der rechten Hand drückte er den braunen Lederball an den Körper, diesen verdammten Ball, der doch auf der Linie aufgekommen war in Wembley, nicht dahinter. Haller hätte Weltmeister werden können, der Halbstürmer hatte 1966 ein überragendes Turnier gespielt und Deutschland im Endspiel gegen Gastgeber England in Führung geschossen. Ein Abwehrspieler köpfte ihm vor die Füße, Haller stoppte den Ball kurz und zog einfach ab. Doch nach 100 Minuten, beim Stand von 2:2, klatsche Geoff Hursts Schuss von der Latte auf die Linie. Schiedsrichter Gottfried Dienst gab ein Tor, das nach Ansicht Millionen deutscher Fans nie hätte zählen dürfen.

Die Engländer siegten 4:2 und wurden Weltmeister. Helmut Haller aber machte sich mit dem Ball davon, schüttelt noch Queen Elizabeth II. die Hand und verschwand mit seinem Souvenir, das konnte ihm keiner mehr nehmen.

Am Donnerstag starb Haller im Alter von 73 Jahren nach schwerer Krankheit. 2006 hatte Haller einen Herzinfarkt erlitten, zuletzt litt er an Demenz und Parkinson. „Sein Tod macht uns sehr traurig“, sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. „Helmut Haller gehörte zu den überragenden Persönlichkeiten des deutschen Fußballs.“ Erst vor einer Woche war mit dem früheren Handball-Nationalspieler Erhard Wunderlich eine weitere Augsburger Sport-Ikone gestorben.

Der Ball, den er, wie er später sagte, als Erinnerung an sein schönstes Turnier mitgenommen und seinem Sohn geschenkt hatte, ist längst zurückgegeben. Vor der EM 1996 im eigenen Land bekamen die Engländer die Erinnerung an ihren einzigen Titel nach Protesten wieder, vielleicht auch deshalb war die inoffizielle Turnierhymne „Football is coming home“.

Doch Haller bleibt nicht nur wegen des Balles in Erinnerung. Er war einer der populärsten deutschen Fußballer der Sechziger- und Siebzigerjahre, obwohl er nie ein Bundesligaspiel und nur 33 Länderspiele bestritt. Der Schwabe aus Augsburg feierte als erster Deutscher große Erfolge in der Serie A, in Italien und in der Heimat war der Techniker ein Idol.

Als eines von sieben Kindern eines Bahnbediensteten in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, bekam Haller wegen seiner schmächtigen Statur den Spitznamen „Hemad“, Hemd. Mit 17 debütierte er für den BC Augsburg, und obwohl sein Klub zeitweise nur zweitklassig spielte, war er Stammspieler in der Nationalmannschaft unter Sepp Herberger.

„Mit der Kugel konnte er alles machen“, schwärmte sein Mitspieler Uwe Seeler. „Fußball ist mein Leben“, sagte Haller stets. Den Präsidenten des FC Bologna begeisterte Haller am Fernseher, und so wechselte er 1962 nach Italien. Er wollte nur zwei Jahre bleiben, am Ende wurden es elf. Mit Bologna gewann er im zweiten Jahr die Meisterschaft, als erster Deutscher jenseits der Alpen. 1968 waren seine Dienste Juventus Turin die damals immens hohe Ablöse von drei Millionen Mark wert, zwei weitere Meisterschaften folgten. „Il Biondo“, der Blonde, begeisterte die Italiener, die sagten, Haller sei eigentlich dazu bestimmt gewesen, ein italienischer Fußballer zu werden, aber am falschen Fleck geboren.

In der Nationalelf wurde er wie andere Auslandsprofis meist nur für Turniere und Qualifikationsspiele berufen. Haller bestritt drei WM-Turniere, 1966 war sein bestes. Haller trickste an der Seite von Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath, fünf Tore erzielte er, nur der Portugiese Eusebio traf öfter. Aber die Krönung blieb ihm verwehrt. 1973 kehrte er auf Drängen seiner Frau nach Deutschland zurück, obwohl ihm Juventus angeboten hatte, nur bei Heimspielen aufzulaufen und Fiat-Repräsentant zu werden. Der rundlich gewordene Regisseur spielte umjubelt und unterklassig beim FC Augsburg, bis er 40 war. Er versuchte sich als Trainer, auch bei seinem Heimatklub, bei dem er auch Vizepräsident war. Außer bei Benefizspielen zog er sich allmählich aus der Öffentlichkeit zurück. Den Ball brachte sein Sohn Jürgen 1996 nach England zurück. Dominik Bardow (mit dpa)

Zur Startseite