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Sport: Der Bluff aus Maryland

Ullrich rechnet mit einem Tour-Start von Armstrong

Es ist Januar, da reden die Radstars gerne vom Juli. Nicht wegen der Sehnsucht nach wärmeren Tagen. Die Tour de France ist in Trainingslagern und bei Team-Präsentationen das Thema, ob im Robinson Club auf Mallorca oder in der Zentrale des Fernsehsenders Discovery Channel in Maryland. Gespannt war man schon, ob sich Lance Armstrong nach all seinen geäußerten Zweifeln in letzter Zeit nun bei der Vorstellung seiner 15-Millionen-Dollar-Mannschaft am Montag in Silver Spring festlegen würde, im Sommer den siebten Tour-Sieg anzustreben.

Doch bei der Show des Entdeckungs-Kanals – Discovery Channel hat als Sponsor die Nachfolge von US Postal angetreten – wurde nichts Neues entdeckt. Lance Armstrong blieb dabei, sich im Frühjahr auf die Klassiker Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race, Fleche Wallone und Lüttich-Bastogne-Lüttich zu konzentrieren. Der Amerikaner will sich danach, Ende April, entscheiden. „Das ist ein guter Zeitpunkt. Im Moment kann ich nicht sagen, ob ich in diesem Jahr die Tour fahren werde“, ließ er auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Präsentation abermals verlauten. Dass er offenbar keine rechte Lust verspürt, hatte er schon seit Monaten immer wieder anklingen lassen. „Wir schließen nichts aus“, sagte Armstrong und verriet, dass er ernsthaft daran denke, in diesem Jahr den Stundenweltrekord anzugreifen. Er sucht neue Reize.

Jan Ullrich, mit 26 Kollegen seit Sonntag zum Training auf der spanischen Urlaubsinsel, lässt sich nicht beirren. „Wir kennen Lance“, sagt er. „Der blufft doch nur, wenn er sagt, er fahre die Tour nicht.“ Ullrich kann sich nicht recht vorstellen, dass Armstrong zwar weiterhin Radrennen bestreitet, die Tour aber links liegen lässt.

Das tut der 33-jährige Texaner auch nicht. Einmal werde er auf alle Fälle noch an der Tour teilnehmen, beteuerte Armstrong in Silver Spring. „Das kann 2005 sein oder 2006, aber ich bin vollkommen überzeugt davon, es zu tun.“ Dazu ist er offenbar vertraglich verpflichtet. Es ist schwer vorstellbar, dass Discovery Channel die Armstrong-Mannschaft übernommen hat ohne einen zugesicherten Start des Superstars beim größten Spektakel des Radsports. Der Amerikaner lässt es nur offen, ob er 2005 oder erst 2006 – so lange läuft der Vertrag – diese Verpflichtung gegenüber dem Sponsor erfüllt.

Armstrongs Tour-Pause in diesem Sommer wäre für Jan Ullrich, den fünfmaligen Zweiten und Vierten des Vorjahres, kein Grund zum Jubeln. Im Gegenteil. „Wenn Lance doch bei der Tour im Juli startet, wovon ich ausgehe, wäre das für den Radsport gut – und auch für mich. Ich will versuchen, den überragenden Mann der letzten Jahre zu schlagen.“ Einem zweiten Toursieg nach 1997 ohne Armstrong als Rivalen würde der große Glanz fehlen. Jan Ullrich weiß das. „Ein Toursieg ist immer viel wert. Denn es fahren außer Lance Armstrong auch noch andere mit. Doch den sechsmaligen Sieger zu schlagen ist ein Ansporn für jeden Profi, insbesondere für mich. Ein Tour-Sieg mit Lance Armstrong wird natürlich mehr wert sein als ohne ihn. Ganz klar.“

Hartmut Scherzer[Cala Serena]

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