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Sport: Der deutsche Brasilianer in Frankreich

Giovane Elber trifft heute erstmals mit Olympique Lyon auf seinen alten Arbeitgeber Bayern München

Ob Giovane Elber, dieser lustige Giovane, der sich schon mal zum Torjubel in Teppich-Auslegware wickelt und auch ansonsten für allerlei Scherzchen zu haben ist – ob dieser Giovane Elber nun ein freundlicher, höflicher, redseliger Mensch ist? Man weiß es nicht. Kürzlich hat Senhor Elber einen deutschen Journalisten zum Interview nach Lyon geladen. „Kommen Sie, gerne, am Montag um zehn Uhr auf die Trainingsanlage in Gerland, das ist ein Stadtteil von Lyon. Da haben wir viel Zeit.“ Der Journalist war daraufhin nach Zentralfrankreich gereist, verbrachte den Sonntag in der Stadt zwischen Saone und Rhone und war am Montag zum verabredeten Zeitpunkt am verabredeten Ort. Nur, wo war der lustige Giovane? Nach zahlreichen vergeblichen Anrufen auf Elbers Handy meldete sich Herr Elber gegen Mittag. „Oh, in Lyon sind Sie“, sagte er, „das ist aber dumm, ich bin in Glasgow. Wir sind früher geflogen.“ Und vergessen habe er, die Terminverschiebung anzukündigen. „Aber ich bin ja Donnerstag wieder in der Stadt, bleiben Sie doch so lange.“ Womit auf jeden Fall feststeht, dass Giovane Elber keine Ahnung hat von den Dienst- und Freizeiten eines deutschen Journalisten.

Als Giovane Elber noch in Deutschland stürmte, erst für den VfB Stuttgart, dann für den FC Bayern München, insgesamt neun Jahre, erwarb er sich den Beinamen „der Deutsche“. Für einen Brasilianer wie ihn ist dieser Verweis auf Korrektheit und Disziplin eigentlich rufschädigend – ein brasilianischer Fußballspieler hat per Definition ein Hallodri zu sein, der unpünktlich zum Training erscheint, in der Sonne brilliert mit Artistik und Wärme braucht in der Kälte. Als Elber noch in Deutschland stürmte, war er indes ganz stolz auf die deutschen Tugenden, am Ende bekundete er sogar, dass er Edmund Stoiber wählen würde, wenn er wählen dürfte.

Aber nun stürmt Elber für Olympique Lyon und am Dienstag auch in der Champions League gegen seinen letzten Arbeitgeber, den FC Bayern München. Möglicherweise sind dort in Zentralfrankreich die deutschen Tugenden nicht so gefragt, möglicherweise hat Elber dort auch schon bekundet, dass er immer schon die Küche des kulinarischen Lokalhelden Paul Bocuse bevorzugt habe und großer Anhänger des Laissez faire sei. Fußballspieler singen ja gerne das Lied, wessen Brot sie essen.

Das um so lauter, wenn der Abschied sich im leichten Groll vollzog. Als der FC Bayern München zu Saisonbeginn den Niederländer Roy Makaay nach langem Hickhack verpflichtete, war für Elber mit seinen 31 Jahren kein Platz mehr im Kader, Elber musste gehen. Stets hatte er gesagt, er wünsche sich Spanien als sein fußballerisches Austragsstüberl, aber von dort fand sich kein lukratives Angebot. Dann sollte es der AS Monaco sein, wo es auch warm ist und steuerlich günstig. Elber frohlockte, der Verein frohlockte, Monacos Unterhändler saßen im Büro von Vorstandschef Karlheinz Rummenigge, man einigte sich – bis sich, ganz plötzlich, Olympique Lyon mit einem späten Angebot per Fax ins Spiel brachte. Ein Angebot übrigens, bei dem der Verein etliches mehr kassieren konnte als Ablöse. Da traf es sich gut, dass Monaco die erforderlichen Bankbürgschaften für die geschätzte Kaufsumme von vier Millionen Euro nicht rechtzeitig beibringen konnte, Lyon bekam den Zuschlag. Ob im Sinne Elbers sei dahin gestellt, Elber selber wird nichts Gegenteiliges behaupten, allein schon, um seine neuen Chefs nicht zu vergrätzen. Er hat lediglich der „Welt am Sonntag“ ins Interview diktiert, dass Fußballspieler Sklaven seien. Gut bezahlte zwar. Aber Sklaven.

Und ansonsten stichelt er ganz gerne in Richtung München. Mit Präsident Franz Beckenbauer hat er ohnehin noch eine Rechnung offen: Der hat 10 000 Euro gesetzt, dass Elber gegen die Bayern kein Tor gelingt, Elber hat ihm nun schon mal angeraten, das Geld doch bitte gleich am Dienstag mitzubringen. Denn „ich traue Bayern in der Champions League nicht mal den Einzug ins Finale zu“, sagte er. Und im Fernsehspot beschied er Bixente Lizarazu, dem französischen Nationalspieler in Bayern Abwehrreihe, durchaus boshaft: „Kleiner Bixente, du, ich werde dich am Dienstag nass machen.“ Schließlich trat er nach: „Die Bayern schaffen es mit ein bisschen Glück vielleicht ins Viertelfinale. Die Champions League aber gewinnt der FC Bayern nie.“

Olympique Lyon mutmaßlich auch nicht, ihm selbst ist in der europäischen Liga noch kein Tor gelungen, und in der Meisterschaft rangiert der Klub auf Platz fünf der Tabelle, für eine höhere Platzierung hätte Elber eben mal öfter treffen müssen als bisher nur einmal. Aber das soll ja nun alles anders werden, jetzt, wo die Gattin Cintia nach Lyon gekommen ist nebst der Kinder Camilla und Victor Antonio. Noch lebt die Familie im Hotel und eine Garantie für Tore ist so ein harmonisches Familienleben auch nicht. Aber vielleicht kann die Gemahlin dem Herrn ja noch beibringen, dass man Verabredungen, die man nicht einhalten kann, auch als Brasilianer sinnigerweise absagt.

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