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Doublesieger: Peyton Siva (links) und Landry Nnoko können sich über den zweiten Titel der Saison freuen.

© BBL-Foto/Imago

Der Doublesieger feiert: Alba Berlin genießt in vollen Zügen

So außergewöhnlich wie Alba Berlins neunter Meistertitel sind auch die Feierlichkeiten danach. Da muss auch die Zukunftsplanung einmal kurz hinten anstehen.

Peyton Siva auf Luke Sikma, Stefan Peno auf Johannes Thiemann – das sind schnittige Kombinationen, die im Regelfall dafür sorgen, dass gleich das Netz zappelt. So war es auch am späten Sonntagnachmittag noch, nur ging es da schon nicht mehr um Punkte: Siva saß auf Sikmas Schultern, Peno auf denen von Thiemann, und das Netz der Korbanlage in der Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle zappelte deshalb, weil sich die Profis von Alba Berlin mit einer Schere daran zu schaffen machten – schnittige Kombinationen eben.

Es war ja schon einiges anders, als die Berliner an diesem Nachmittag den neunten Meistertitel der Klubgeschichte feierten. Im entscheidenden Rückspiel gegen Ludwigsburg hatten sie zuvor durch einen 75:74-Erfolg ihren 23-Punkte-Vorsprung erfolgreich verteidigt und waren damit auch im zehnten Spiel des Finalturniers der Basketball-Bundesliga (BBL) ungeschlagen geblieben.

Alba Berlins K.o.-Spiele beim BBL-Finalturnier

  • Viertelfinale, Hinspiel: Göttingen – Alba Berlin 68:93
  • Viertelfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Göttingen 88:85
  • Halbfinale, Hinspiel: Oldenburg – Alba Berlin 63:92
  • Halbfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Oldenburg 81:59
  • Finale, Hinspiel: Alba Berlin – Ludwigsburg 88:65
  • Finale, Rückspiel: Ludwigsburg – Alba Berlin 74:75

Und auch wenn es anschließend das ganze feierliche Brimborium mit Pokal- und Medaillenzeremonie gab, Jonas Mattisseck seinen Kapitän Niels Giffey ein wenig mit Wasser bespritzte und sich Sikma im silber-blauen Konfetti auf dem Hallenboden wälzte, so war es ohne Fans, aber mit jeder Menge Hygienevorschriften doch nicht die ganz große Sause, die nach zwölf Jahren Wartezeit und zuvor einer bitteren Finalpleite nach der anderen wohl sonst gefeiert worden wäre. Immerhin: Auf die zweite Trophäe neben dem großen silbernen Pokal – das Korbnetz – mussten die Berliner nicht verzichten.

„Wir haben das Beste aus dem Turnier gemacht“, sagte Giffey derweil glücklich in das Mikrofon von Magentasport. „Wir haben das gewonnen, was wir gewinnen konnten.“ Dann hatten seine schnittigen Kollegen ihr Werk verrichtet, und Thiemann hängte ihm das Netz um den Hals. Fortan war also der Kapitän der Hüter der Heiligen Reuse.

Auch bei der Busfahrt zurück ins Hotel hatte er sie bei sich, als die Feiergesellschaft ihren bevorzugten Hip-Hop-Track schmetterte, in dessen Lyrics „fünf Jacky Cola und ein Mai Tai“ noch zu den harmloseren Vergnügungen zählen. Bis dahin hatten die Berliner tatsächlich nur Wasser gesehen. Das sollte sich jedoch ändern.

Peno auf Thiemann: Eine schnittige Kombination, die das Netz zappeln lässt.
Peno auf Thiemann: Eine schnittige Kombination, die das Netz zappeln lässt.

© BBL-Foto/Imago

Giffey – Pokal vor der Nase, Netz weiterhin um den Hals – musste im Quarantäne-Hotel noch die Pflicht-Pressekonferenz absolvieren („Jetzt können wir endlich raus!“), dann ging es nach drei langen Wochen aus der Blase zurück in die Freiheit, und zwar mit dem ICE.

Dort war es dann vorbei mit Wasser. 10.548 Kilometer Bahnfahrt habe er bei seiner Pendelei zwischen Berlin und München in den vergangenen Wochen zurückgelegt, twitterte Sportdirektor Himar Ojeda mit einem Foto von unterwegs, diese sei jedoch „die lustigste von allen“. Ein Kasten Bier stand zwischen seinen Beinen. Genießen in vollen Zügen, nennt man das wohl.

Das Foto, auf dem Giffey und seine Kollegen brav mit Mundschutz und der professionell am Fenster drapierten Netztrophäe in die Kamera grüßten, dürfte jedenfalls weniger repräsentativ gewesen sein. Bei den Zwischenhalten in Leipzig und Erfurt jubelten dem Alba-Tross sogar ein paar Fans vom Bahnsteig aus zu. Es muss tatsächlich munter zugegangen sein.

„Ich bedanke mich ausdrücklich für die Toleranz der Deutschen Bahn“, sagte Manager Marco Baldi, kurz nachdem der Zug dann gegen 23.30 Uhr auf Gleis acht des Berliner Hauptbahnhofs eingerollt war. „Es war auf jeden Fall die beste Zugfahrt, die ich je hatte“, fügte Johannes Thiemann hinzu. Ein paar Dutzend Fans warteten bereits mit einem großen gelben Banner, auf dem in blauen Lettern „Mit Abstand die Besten“ zu lesen war.

Am Ende dieses großen Tages doch noch ein wenig von den Fans abgefeiert zu werden, das machte die Berliner sehr glücklich. „Ich glaube, die Leute wissen gar nicht, was es uns bedeutet hat, dass sie jetzt hier waren“, sagte Jonas Mattisseck, nachdem die Fangesänge abgeklungen waren. „Für alle, die in diesem Verein sind, an diesen Verein glauben und in irgendeiner Verbindung zu dem Verein stehen, ist es einfach eine richtig große Freude“, fasste Baldi zusammen. „Es geht direkt ins Herz und in die Seele.“

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Bei Alba ist nun erst einmal Vergnügen angesagt, bevor es mit den unwägbaren Planungen für die kommende Saison weitergeht. „Wir werden noch so viele Kopfschmerzen in den nächsten Tagen und Wochen haben“, hatte Baldi bereits zuvor bei Magentasport gesagt. „Wahrscheinlich weniger wegen des Feierns, sondern mehr, weil wir in einer relativ ungewissen Zeit leben.“

Champions: Die Berliner haben nach der Meisterzeremonie gute Laune.
Champions: Die Berliner haben nach der Meisterzeremonie gute Laune.

© BBL-Foto/Imago

Spätestens Mitte Oktober soll es weitergehen, aber unter welchen Bedingungen, das kann noch niemand wirklich einschätzen. Die BBL möchte gemeinsam mit den anderen Hallensportarten ein Konzept vorlegen, das zumindest teilweise wieder Arenapublikum möglich macht.

Und auch in Albas Kader wird sich etwas tun, gerade angesichts der schwer kalkulierbaren finanziellen Lage. Der bereits erwartete Wechsel von Center Landry Nnoko zu Roter Stern Belgrad wurde am Montagabend offiziell, auch für Leistungsträger wie Martin Hermannsson und Rokas Giedraitis soll es wohl einige Interessenten geben. Und ob Trainer Aito Garcia Reneses ein weiteres Jahr bleibt, wird sich ohnehin erst in den kommenden Tagen entscheiden.

„Er ist ’ne Type“, sagte Niels Giffey am nächsten Morgen im ZDF-Fernsehen. „Ich glaube, er wird machen, worauf er Lust hat.“ Da war es gerade 8.23 Uhr, und Giffey sah nach der Meisternacht noch etwas schläfrig aus. „Die Entscheidung, hierherzukommen, war ein bisschen unüberlegt“, grummelte er. Auf einem kleinen Tischchen vor ihm lag das Korbnetz aus der Rudi-Sedlmayer-Halle.

Leonard Brandbeck

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