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Sport: Der dritte Mann

Alexander Wurz riskiert als Testfahrer in der Formel 1 viel – und sitzt den Stammfahrern von McLaren im Nacken

Berlin. Bis zum Gipfel fehlte Alexander Wurz einiges. Dennoch, als er im Himalaya, dem Gebirge mit den 8000ern, im Basislager bei 4800 Metern an seinem Ziel war, Mount Everest, Lhotse und Nuptse vor Augen, war er glücklich. „Ich durfte meinen Träumen vom Bergsteigen nachgehen“, sagt der Österreicher. Dieses einschneidende Erlebnis, als er sich selbst und seinen Schwächen, Stärken, Hoffnungen und Ängsten ausgesetzt war, hatte er vor zwei Jahren. Dass er dabei extremer Belastung und Gefahren widerstanden hatte, aber der Gipfel für ihn dennoch in weiter Ferne blieb, entspricht in etwa seiner heutigen Situation bei McLaren-Mercedes. In dieser Saison ist Wurz offiziell der Ersatzfahrer des Teams, der jederzeit eingesetzt werden kann. Laut „motorsport aktuell“ soll sein Vertrag einen Passus enthalten, der ihm beim Weggang eines Fahrers dessen Platz garantiert. Dieser Status ist ein Novum in der Formel 1, und Wurz hat ihn sich hart erarbeitet. Er ist der erste Testfahrer, der den prominenten Kollegen im Cockpit offiziell annähernd gleichgestellt ist. „Ich darf nicht langsamer sein als die Stammpiloten“, sagt Wurz. Den Beweis dafür hat er gerade in Valencia erbracht. Stammfahrer Kimi Räikkönen fuhr die schnellste Runde in 1:12,335 Minuten, Wurz wurde in 1:12,430 Zweiter.

Räikkönen und David Coulthard sollen in der kommenden Saison den Weg zum Gipfel, zum WM-Titel, in Angriff nehmen. Über Wurz wird öffentlich erst einmal wenig geredet werden. Dabei ist er immerhin 52 Formel-1-Rennen gefahren, war 1997 Dritter in Silverstone, 1998 fünfmal Vierter. Zunächst bleibt seine Aufgabe das Testen. Wurz, der sich als „Teil einer Familie“ fühlt, dessen Alltag derzeit meist aus Fahren, Anhalten, Fahren, Anhalten besteht, setzt sich dabei auch besonderen Gefahren aus. Als Testfahrer lotet er in allen Bereichen die Limits aus.

Damit seine Teamgefährten später schnell und sicher fahren können, muss er viel riskieren, auch mal die Grenzen des Machbaren überschreiten. Seitdem 1950 die erste Fahrer-WM in der Formel 1 ausgetragen wurde, starben 34 Rennfahrer an den Folgen von schweren Unfällen. Sieben von ihnen ereilte das Schicksal während Testfahrten. Es ist Gesetz, dass die Teaminteressen über jedem Ego stehen, dass daher auch Fahrer wie Wurz ihre aufgestaute Energie nicht einfach so abbauen können. Die Faszination der Formel 1 liegt allein in der Handarbeit, Logistik, Präzision und ihrem Anteil an der Bewältigung von großen und kleinen Krisen.

Diese Arbeit im Schatten der Starst wird bei den großen Teams gut belohnt, als Äquivalent für oft monotone Kleinarbeit, manchmal auch dreistellige Rundenzahlen und das Risiko. Dennoch wäre auch Alexander Wurz lieber gleich Stammfahrer. „Ich sehe meinen Job als große Chance“, sagt Wurz. Dass unter www.wurzwitze.com über ihn schon gelacht wird („Bücher über den Formel-1-Fahrer Wurz gibt’s in der Märchenabteilung“), demotiviert ihn überhaupt nicht. Er wartet auf seine Chance – im Basislager der Formel 1. Bis zum Gipfel ist es aber weit.

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