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Sport: Der ehemalige Zweite

Flensburg-Handewitt ist endlich Deutscher Meister – dank des Spürsinns von Trainer Andersson

Es musste wohl erst ein Schwede kommen, um die deutschdänische Grenzstadt Flensburg endlich zum Deutschen Handball-Meister zu machen. Bis zum Sonntag galt die SG Flensburg-Handewitt als ewiger Zweiter im deutschen Handball. Doch nach dem 41:32-Sieg in der Campushalle gegen die HSG Nordhorn ist Flensburg wirklich Meister – auch dank des schwedischen Trainers Kent-Harry Andersson.

Andersson hat einige Eigenschaften von Kurt Wallander, aber nur die guten. Spürsinn und Intuition etwa. Das Cholerische und das Übergewicht lässt Andersson der Krimifigur von Henning Mankell; auch die Vorliebe für Whiskey, Zigaretten und Fastfood teilt der Trainer nicht mit dem Kommissar. „Ich achte etwas besser auf meine Gesundheit als der liebe Kurt“, sagt Andersson. Er kommt aus Ystad in Südschweden. Dort löst auch Kommissar Wallander seine Fälle. Andersson hat alle Krimis Mankells gelesen.

„Die fünfte Frau“ heißt eines der Bücher, in dem es um besonders brutale Morde geht; bei Andersson könnte es heißen: „Die fünfte Station“ – seit dem Sommer 2003 trainiert der Lehrer die SG Flensburg-Handewitt. Nach eher unscheinbaren Aufträgen in Malmö, Ystad, Drammen und Nordhorn führt der fünfte Teil seiner Dienstreise den 55 Jahre alten Schweden ins grelle Scheinwerferlicht: Den Pokal des Deutschen Handball-Bundes (DHB) hat die SG Flensburg schon geholt, gestern folgte die Meisterschaft. Andersson ist damit in die Nähe von Unsterblichkeit gerückt in der dahinsiechenden Grenzstadt, die nichts mehr liebt als ihre Handballprofis und sich nach fünf zweiten Plätzen in den vergangenen acht Spielzeiten nach der Meisterschaft verzehrt hat.

Andersson ist bei allem Erfolg der ruhige, fast scheue Mann geblieben, der die Kameras meidet. Nach dem Pokalsieg gegen den HSV Hamburg trank er zwei Flaschen Bier und schaute sich dann das Spiel noch einmal an: Videoanalyse eines fast perfekten Auftritts. Am Rande des Feldes bleibt er zurückhaltend; der Motivator und Freund der Spieler ist sein Assistent Bogdan Wenta.

Immer wieder hat es Vergleiche zwischen Andersson und seinem Vorgänger Erik Veje Rasmussen gegeben. Der Däne hat die SG Flensburg in fünf Jahren zu einem europäischen Spitzenteam geformt. Doch der ganz große Wurf blieb aus. Weil Rasmussen in den entscheidenden Momenten zu hektisch gewesen sei, zu sehr dem Bauch vertraut habe, urteilen Kritiker. Mancher sagt, dass Rasmussen in wichtigen Partien gern einmal einen Spieler als Strafe vom Parkett nahm, um ihm zu zeigen: „Nicht du bist der Star. Ich bin es.“ Andersson kommentiert das nicht. Andersson ist eher der Vater der Spieler, Rasmussen war der Vorgesetzte.

„Bei Kent-Harry gibt es Abläufe, die alle verinnerlicht haben. Die helfen in engen Situationen oder wenn es mal nicht so läuft. Das System ist den Spielern eine Stütze“, sagt der Flensburger Manager Thorsten Storm. „Und wenn er Spieler kritisiert, demütigt er sie nicht.“ Andersson ist uneitel, er will nur den Erfolg.

Auch die Taktik ist grundlegend verändert, seitdem der stille Schwede da ist: Während unter Rasmussen meist der schnelle Abschluss gesucht wurde, lässt Andersson „am liebsten jeden Spieler einmal an den Ball“, sagt der beste Torschütze der SG, Lars Christiansen. Flensburg spielt den variabelsten Handball der Liga. Genug Arbeit wird es aber auch weiterhin für Kommissar Andersson geben: „Die fünfte Station“ soll nämlich ein Fortsetzungsroman werden.

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