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Sport: Der Einsiedler

Trotz der jüngsten Erfolge seiner Mannschaft entlässt der VfB Stuttgart den Sportdirektor Rolf Rüssmann

Stuttgart. Wenn Rolf Rüssmann in den nächsten Tagen über den Weihnachtsmarkt von Gelsenkirchen schlendert, wird er wieder ein ganz normaler Mensch sein. Er wird sich, ohne aufzufallen, wieder ins Leben seiner Heimatstadt integrieren. Obwohl, und damit holt ihn sein beruflicher Werdegang ein, der 52-Jährige beim VfB Stuttgart ähnliche Fehler gemacht hat wie bei seinem vorletzten Engagement bei Borussia Mönchengladbach. Auch dort hatte er alles an sich gerissen und alles besser gewusst. In Stuttgart verprellte er auf diese Weise Mannschaft und Mitarbeiter, Präsidiumskollegen und Sponsoren - und stand am Ende isoliert da. Niemand wollte mehr mit ihm arbeiten.

All das wird ihm Dieter Hundt gestern Morgen erklärt haben, als der neue Aufsichtsratsvorsitzende des VfB Stuttgart den Sportdirektor Rolf Rüssmann von seinem Posten entband. Der Arbeitgeberpräsident hatte in den vergangenen Wochen selbst recherchiert und am Ende eine lange Mängelliste vorliegen. Das Fehlen einer klaren sportlichen Konzeption stand darin als Hauptvorwurf. Dass der Sportdirektor, der zuletzt auch den Marketingbereich an sich gerissen hatte, keinerlei Kooperationsbereitschaft zeigte und mit Abteilungschef Rainer Mutschler, dem ehemaligen Alpindirektor und Cheftrainer des Skiverbands, nur noch schriftlich verkehrte, war einer jener Punkte, die ein rasches Ende erforderten.

Rüssmann dürfte sich mit den sportlichen Erfolgen der vergangenen zwei Jahre, vor allem aber mit der guten Perspektive der jungen Mannschaft gerechtfertigt haben. Er sieht dies genauso als sein Werk an wie Trainer Felix Magath. Und ist es nicht sein Verdienst, dass der Trainer sein Image korrigieren konnte und nun als neue große Figur der Branche dasteht? Rüssmann rühmt oft genug seine Hilfestellung, die ihm an der Entwicklung Magaths zur unumstrittenen Trainer-Persönlichkeit zukomme. Man werde seinen Beitrag zur Geschichte des VfB schon noch würdigen, sagt Rüssmann. Letztlich sei er über die vielen Neider gestürzt, die er sich intern zugezogen habe, er sei ein Opfer schwäbischer Seilschaften. So viel zu seiner Version vom Abschied aus Stuttgart.

Womit der Westfale nicht falsch liegt. Dass die Klub-Politik in der Loge des Hauptsponsors „Debitel“ gemacht wird, wo ehemalige Führungskräfte, zum Teil arbeitslose Profis, das Wort führen dürfen, kann den neuen Aufsichtsräten um Dieter Hundt bestimmt nicht gefallen. Sie repräsentieren Weltkonzerne oder zumindest gediegene schwäbische Unternehmen. Wenn es kritisch wurde, hat der Präsident Manfred Haas selten persönlich eingegriffen. Die unangenehmen Aufgaben, vor allen Dingen die unappetitlichen Aufräumarbeiten im Büro seines Vorgängers Gerhard Mayer-Vorfelder, haben Haas und seine Kollegen gern dem Präsidiumskollegen Rüssmann überlassen. Weil dieser von all den Affären des aktuellen DFB-Präsidenten nicht persönlich betroffen war. Und weil Rüssmann wusste, wie man schlechte Nachrichten der Öffentlichkeit so übermittelt, dass es nicht ganz so schlimm wirkt. So lange es halbwegs gut ging, waren alle froh, dass in dem früheren Nationalspieler auch ein sportlicher Experte mit internationalen Verbindungen zu Bankern, Buchhaltern und Versicherern im Vereinsheim am Cannstatter Wasen saß.

Diese Kompetenz wird nun fehlen. Den sportlichen Teil von Rüssmanns Job werde kommissarisch Felix Magath übernehmen, teilte der Klub mit. Damit könnte sich der Fehler wiederholen, den der VfB vor drei Jahren beging. Damals halste man dem damaligen Coach Ralf Rangnick die Verantwortung für den gesamten Verein auf. Ein Trainer, auch einer von der Klasse Magaths, ist mit dieser Aufgabe überfordert. Und noch darf bezweifelt werden, ob Wolfgang Holzhäuser von Bayer Leverkusen, der als Nachfolger gehandelt wird, die Qualitäten mitbringt, um einen Bundesligaverein zu lenken. Wenn der VfB den Vorstellungen Magaths („Wir wollen auch mal um Titel und in der Champions-League spielen“) folgen will, braucht er einen hochkarätigen Manager.

Schon im Sommer spielte sich eine Episode ab, die Rüssmanns Ende vorwegnahm. Als die Finanzmisere Prämienkürzungen erforderte, bot Haas seinem Sportdirektor an, mit ihm und den Spielern das Thema zu diskutieren. Rüssmann aber verbat sich die Einmischung, man brauche dabei nicht sensibel zu sein. Ein paar Tage später erfuhren die VfB-Profis aus der Zeitung, dass ihre Prämien gestrichen wurden. Von diesem Tag an war Rüssmann nicht nur für das Präsidium, sondern auch für alle VfB-Profis erledigt.

Martin Hägele

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