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Ein Kerl, ein Irrer, ein Fußballgott. Trauer in Neapel um Diego Maradona. Der Argentinier holte mit dem Verein der Stadt mehrere Titel und wird immer noch verehrt.

© Alessandra Tarantino/dpa

Der Elvis des Fußballs: Diego Maradona lebte wie ein Rockstar

Aus der Gosse in den Ruhm – Diego Maradona verkörperte den Rock'n'Roll im Fußball. Mit all seinem Wahnsinn. Eine Huldigung.

Von Frank Jansen

In einem der letzten Videos, in dem Diego Maradona zu sehen ist, tanzt er mit seiner Exfreundin. Doch das Geschiebe allein reicht Maradona nicht. Der Fußballgott zieht blank. Maradona präsentiert seinen dicken Hintern. Und tanzt entblößt weiter mit der Frau, die sich nicht anmerken lässt, was sie davon hält, Statistin einer hautnahen Verarschung zu sein.

Das Video ist peinlich und doch eine Botschaft, die zu Maradona passt. Ihr könnt mich mal. Leckt mich am Arsch. Das Credo eines ewigen Rock'n'Rollers. Wenn es sein muss, bis in die Abgründe der Absurdität.

Maradona war der Elvis des Fußballs. Rebellische Posen, Rockstar-Allüren, Drogen und Medikamentenmissbrauch, Abstürze, Phasen der Wiederauferstehung, notorische Maßlosigkeit, ewige Pubertät, ein trauriges Ende als verfettete, tragikomische Ikone. Und alles überstrahlt von der glamourösen Genialität, mit der Diego Maradona wie Elvis Presley zu historischen Figuren wurden.

Presley prägte den Stil des Rockers in der Pop-Geschichte, Maradona den des Exzentrikers im Fußball. Von den drei größten Spielern aller Zeiten ist Maradona derjenige, der mehr war als ein Fußballer. Die beiden anderen sind Pelé, der nach dem Ende seiner grandiosen, titelsatten Karriere brav blieb, und Lionel Messi.

Maradona war nie blass wie Messi

Er spielt noch, er ist auch der einzige, der auf dem Platz Maradonas Genie erreicht. Im April 2007 dribbelte er beim Sieg des FC Barcelona im Pokalspiel gegen den FC Getafe über das halbe Spielfeld und schoss aus spitzem Winkel ins Tor.

Eine Wahnsinnskopie des Treffers, den Maradona im Juni 1986 im WM-Viertelfinale Argentinien gegen England erzielt hatte. Doch es zeichnet sich ab, dass Messi den bizarren Glamour, den sein Landsmann Maradona hatte, nie erreichen wird.

Und das auch gar nicht will – sieht man von Messis Versuch ab, mit schrillen Tätowierungen und scheußlichen Sakkos weniger blass zu wirken. Doch kein Vergleich zum Lebensstil eines Maradona, trotz dessen Che-Guevara-Tattoo am rechten Oberarm. Maradona war nie blass. Er bleibt einzigartig.

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In Deutschland gibt es nur einen Fußballer, der den Typus des Rock'n'Rollers knackig hinbekam. Günter Netzer. Er war nie so irre wie Maradona, er strauchelte nicht und hat seinen Glamour weitgehend eingebüßt, doch in der kollektiven Erinnerung bleibt Netzer der langhaarige Popstar aus den Sixties-Seventies.

Das Foto, wie der „King vom Bökelberg“ auf der Uerdinger Rheinbrücke steht, cooler Blick, üppige Mähne, weite Schlaghose, schräg hinter ihm der Ferrari mit aufgeblendeten Klappscheinwerfern, ist ein ikonisches Bild. Und ein sexy Kontrast zu Langweilern wie Franz Beckenbauer.

Doch Netzer ist viel zu sehr Preuße, um den Lifestyle des Rock'n'Roll so auszukosten wie Diego Maradona. Der es vielleicht auch nötiger hatte. Maradona dribbelte sich aus einer Gosse in Buenos Aires in den Ruhm. Den Dreck von früher trug er offenbar weiter in sich.

Zwei Revolutionäre: Diego Maradona und Fidel Castro.
Zwei Revolutionäre: Diego Maradona und Fidel Castro.

© Imago

So kann Rock’n’Roll in Naivität abrutschen. Es gibt da dieses Foto aus den nuller Jahren, das Maradona mit Fidel Castro zeigt. Der graubärtige Comandante im Kampfanzug und der kleine, übergewichtige Argentinier mit orange gefärbten Haaren.

Der Altrocker der Linken und der Altpunk des Fußballs. Maradona war mehrmals zu Entziehungskuren auf Kuba, die Wirkung blieb begrenzt. Dennoch ein ebenfalls ikonisches Bild, mit makaberer Ästhetik und ein Dokument der Symbiose von Politik, Pop und Sport. Aber auch ein Fingerzeig auf die politischen Abgründe, in die sich Maradona begab. Nicht nur, weil er sich Castros Konterfei auf den linken Unterschenkel tätowieren ließ.

Propagandanützling für Diktatoren

Rock'n'Roller können reichlich naiv sein. Er ließ sich als Propagandanützling an der Seite des Diktators ablichten. Dann auch mit Hugo Chávez, dem autoritär linken, 2013 verstorbenen Präsidenten Venezuelas.

Dass Chávez mit seinem Hauruck-Sozialismus das Land ruinierte, scheint Maradona nicht wichtig gewesen zu sein. In der Auswahl seiner Kumpel war er schon als Fußballer in Neapel nicht wählerisch.

Maradona freundete sich mit der Familie von Mafiaboss Carmine Giuliano an. 1991 musste er Italien verlassen und war vom Staat als "unerwünschte Person" gebrandmarkt. Als er schon weg war, flog ihm noch ein Urteil wegen Zuhälterei und Drogenhandel hinterher, 14 Monate auf Bewährung.

Aber ein Maradona landet natürlich nicht im Knast. Rock’n’Roll auf Irrwegen. Dennoch: im Jenseits möge die Hand Gottes Maradona schützen.

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