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Noriaki Kasai nimmt auch mit 47 Jahren noch Anlauf.

© REUTERS

Der ewige Skispringer Noriaki Kasai: Alter ist nur eine Zahl

Auch mit 47 Jahren macht Skispringer Noriaki Kasai noch weiter – er träumt von einem letzten Sieg. Doch es gibt da ein paar Probleme.

Wenn Noriaki Kasai sich zu Beginn des Winters dann doch wieder in den engen Anzug gezwängt, sich die langen Skier untergeschnallt und sich vom Startbalken aus die Schanze hinuntergestürzt hat, dann kommen auch wieder die Zweifler. Seine Knie sind doch inzwischen völlig hinüber, heißt es dann. Der Rücken macht doch schon länger Probleme. Und überhaupt fehlt es ihm inzwischen sichtlich an Absprunggeschwindigkeit und Athletik.

Kasai sind solche Abgesänge offensichtlich egal. Mehr als 30 Jahre ist es inzwischen her, dass er erstmals auf internationaler Bühne von der Schanze sprang. Im Dezember 1988 war das, in seiner japanischen Heimatstadt Sapporo gab er damals sein Weltcup-Debüt. Nur drei Kollegen aus den Top 20 des vergangenen Winters waren da überhaupt schon geboren. Mittlerweile steckt er in seiner 31. Saison. Kasai ist im Juni 47 Jahre alt geworden.

Das ist nicht nur in der Welt des Skispringens eine völlig außerirdische Marke. Aber Kasai springt einfach weiter. „Skispringen gibt mir ein großartiges Gefühl“, hat er in den Medien des Internationalen Olympischen Komitees einmal gesagt. „Es ist fabelhaft und etwas, das ich mit Worten kaum beschreiben kann.“

Und deshalb segelt er auch in dieser Saison wieder durch die Lüfte. Dabei profitiert er von einem einzigartigen System, das sich über die Jahre im japanischen Skispringen etabliert hat: Dort starten einige Athleten für das Privatteam eines Wohnbauunternehmens aus Sapporo. Kasai und seine Kollegen sind somit mehr oder weniger fest bei einer Firma angestellt. Warum also zurücktreten, wenn man so bequem in der Bindung sitzt und nebenher auch noch ein paar Taler für die Rentenkasse beiseitelegen kann?

Natürlich sind die Zeiten inzwischen vorbei, in denen die zurückhaltende Skisprunglegende regelmäßig um Top-Platzierungen mitsprang, in denen Kasai neun WM- und Olympia-Medaillen einsammelte. Doch allein um Alters- oder Teilnahmerekorde geht es ihm nicht. Da hat er sowieso schon fast alle Grenzen verschoben, die vorher als denkbar galten.

Noriaki Kasai hofft auf einen letzten Sieg

Seine inzwischen 566 Weltcup-Starts sind unerreicht. Seine 109 Auftritte bei der Vierschanzentournee ebenfalls. Legte man all seine Wettkampfsprünge hintereinander, würde er über 95 Minuten lang durch die Luft schweben, so hat es „Zeit Online“ im vergangenen Jahr errechnet.

Nein, Kasai hofft auf den letzten Satz nach ganz vorne: „Noch einmal ein Springen gewinnen“, hat er vor dieser Saison gesagt, das sei sein Traum. Fünf Jahre ist es inzwischen her, dass Kasai zum letzten Mal ganz oben auf dem Podest stand. 42 Jahre und 176 Tage alt war er bei seinem damaligen Sieg in Kuusamo – auch das natürlich Rekord. An diesem Wochenende scheiterte er an gleicher Stelle jedoch wie schon beim Saisonauftakt in Wisla in der Qualifikation – Karl Geiger wurde beim Sieg von Daniel Andre Tande Siebter.

Immer weiter. Noriaki Kasai stapft auch in seiner 31. Weltcup-Saison noch die Skisprungschanzen hinauf – um dann natürlich von ihnen herabzusegeln. Foto: Georg Hochmuth/dpa
Immer weiter. Noriaki Kasai stapft auch in seiner 31. Weltcup-Saison noch die Skisprungschanzen hinauf – um dann natürlich von ihnen herabzusegeln. Foto: Georg Hochmuth/dpa

© dpa

Für Kasai ist ein Ende trotzdem noch nicht in Sicht. Solange er sich auf seine unvergleichlichen Flugfähigkeiten verlassen kann, die seine altersbedingten Schwächen im Absprung kompensieren, ist besonders beim Skifliegen und auf den großen Schanzen weiterhin mit ihm zu rechnen – und da folgen die Höhepunkte ohnehin erst am Ende der Saison.

Auch mit den Beschwerden seines Körpers hat er längst einen eigenen Umgang gefunden, Kasai schwört auf ausgiebige Ruhepausen und Erholungsphasen zwischen den Wettkämpfen. „Sich Ruhetage zu gönnen und sich zu erholen, ist so wichtig wie das Training selbst“, sagt er. „Wenn ich zu hart trainiere, fange ich an, mich zu verletzen. Daran merke ich, dass ich älter werde.“

Olympia 2022 in Peking hat er jedenfalls fest vor Augen. Fast 50 Jahre alt wäre er dann, es wären seine neunten Winterspiele überhaupt. Das haben insgesamt nur drei Athleten vor ihm geschafft, unter den Wintersportlern ist er sowieso schon der Rekordolympionike. Zumindest daran bestehen keine Zweifel.

Leonard Brandbeck

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