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Nun ist er weg. Fränk Schleck (vorn).

© dpa

Der Fall Fränk Schleck: Die Klagen des Radprofis

Nach der positiven Dopingprobe sieht sich Fränk Schleck als Opfer, redet davon, dass er "vergiftet" worden sei und kündigt den Gang vors Gericht an.

Beim Radsport fährt die Vergangenheit immer mit, vor allem bei der Tour de France. Wieder einmal stand dabei am Mittwoch nicht der Sport im Vordergrund. Vor dem Start der 16. Etappe in Pau, die der Franzose Thomas Voeckler gewann, gab es einen Medienauflauf wie zu Zeiten des unter Dopingverdacht stehenden Lance Armstrong. Die Menschen klumpten sich rund um den Teambus des Rennstalls Radioshack, für den der Luxemburger Fränk Schleck fährt. Wie es sich bei Dopingaffären aber meistens so fügt, glänzte der Überführte durch Abwesenheit. Er hatte sich schon am Dienstagabend, kurz nach Bekanntwerden eines positiven Dopingtests, zu seiner Familie begeben, die ihn am Ruhetag besucht hatte. Laut Teamangaben kehrte er am Mittwochmorgen in seine Heimat zurück. Anstelle des Abwesenden mussten Betreuer und Teamgefährten den Erklärungsnotdienst übernehmen.

Jens Voigt trat als Erster vor die Journalisten. „Wir haben beim Abendessen, etwa gegen 20.30 Uhr, davon erfahren und waren sehr bestürzt“, berichtete der Teamgefährte von Schleck. „Natürlich sitzt man dann da und stellt Spekulationen an. Aber auch wir können es uns nicht erklären“, sagte der Berliner.

Fränk Schleck ist der sportlich etwas schwächere Teil des besten Bruderpaars, das der Radsport je hatte. Seine ganze Karriere über stand der 32-Jährige im Schatten seines fünf Jahre jüngeren Bruders Andy. Zu Bjarne Riis’ Team CSC kam er einst nur als ungeliebte Beigabe seines talentierteren Bruders. Der ältere Schleck erwarb sich dank großen Trainingsfleißes jedoch Respekt. Bei der Tour de France gelangen ihm zwei Etappensiege und ein dritter Gesamtrang 2011. Seine Erfolge waren jedoch seit 2008 vom Dopingverdacht überschattet, als Zahlungen an Dopingarzt Eufemiano Fuentes bekannt wurden.

Tatsächlich hat die nun bei Fränk Schleck gefundene Substanz Xipamid keine leistungssteigernde Wirkung. „Sie ist sogar leistungshemmend“, erklärte der Teamarzt des Rennstalls Omega und Mannschaftsarzt des deutschen WM- und Olympiakaders im Radsport, Helge Riepenhof, dem Tagesspiegel. Sie entzieht dem Körper Flüssigkeit und Mineralien. Das ist ein Vorgang, den Ausdauersportler gewöhnlich durch zusätzliche Zufuhr von Flüssigkeit und Mineralien verhindern wollen. Bei dopenden Sportlern spielt es jedoch als Maskierungsmittel eine Rolle. „Mit einem Diurethikum wie diesem erhöht man die Menge des Urins. Diese Volumenvergrößerung führt zu einer Verringerung der Konzentration aller im Urin befindlichen Substanzen und damit auch aller bei Urinproben gemessenen Dopingsubstanzen“, sagt der Pharmakologe und Antidoping-Experte Fritz Sörgel. Wie Voigt waren aber auch er sowie der Leiter des Kölner Dopingkontrolllabors, Wilhelm Schänzer, überrascht, dass solch ein Mittel im Körper Schlecks vorhanden war. „Das ist sehr leicht nachzuweisen“, sagte Schänzer. Und Sörgel wies darauf hin, dass bei häufigem Gebrauch der gewünschte Effekt der Entwässerung nachlasse. Weitere Rätsel gibt die geringe Konzentration des Mittels auf. Von 100 Pikogramm sprach Alain Gallopin, Sportlicher Leiter von Radioshack.

In die allgemeine Verblüffungslandschaft fügte sich Bjarne Riis ein. „Ich bin erstaunt“, sagte Schlecks früherer Chef. Die Aufregung um zwei Rechnungen des Dopingarztes Eufemiano Fuentes an Schleck während dessen Engagement beim dänischen Rennstall spielte er herunter: „Aus dieser Sache kam er mit weißer Weste heraus.“ 2008 waren Zahlungen von Schleck an Fuentes in Höhe von 7000 Euro aufgefallen. Schleck hatte daraufhin die Zahlungen eingestanden, er habe dafür lediglich Trainingspläne erhalten. Der Fall wurde schließlich zu den Akten gelegt.

Weil die Dopingkontrolle nach einer Flachetappe vorgenommen wurde, bietet sich als Erklärungsmuster Folgendes an: Die Dopingkontrolleure könnten aus besonderen Verdachtsmomenten – etwa merkwürdigen Werten im Blutpass – ein Auge auf Schleck geworfen haben. Eine Nachfrage beim Sprecher des Weltverbandes UCI, Enrico Carpani, führte nur zu der Aussage: „Das war eine Wettkampfkontrolle. Mehr sage ich dazu nicht.“

Schleck selbst wählte die Verteidigungsstrategie des Fremdverschuldens. In einem von ihm verbreiteten Statement erklärte er: „Ich werde die Öffnung der B-Probe beantragen. Sollte diese das Resultat der A-Probe bestätigen, reiche ich Klage gegen unbekannt wegen Vergiftung ein.“ Von der Tour reiste er dennoch ab. Streckenchef Jean-Francois Pescheux zeigte sich erfreut davon. „Das sorgt für Ruhe bei der Veranstaltung“, glaubt er – und irrt sich womöglich. Denn der Fall Schleck ist nach der Festnahme des französischen Radprofis Remy di Gregorio am ersten Ruhetag wegen Verdachts auf Doping und Dopinghandel schon das zweite Dopingereignis dieser Tour de France. Die Vergangenheit des Radsports ist weiterhin auch seine Gegenwart.

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