zum Hauptinhalt

Sport: Der Fehler liegt im System

In Gladbach wird Hertha von einem Spieler besiegt, der den Berlinern nicht mehr gut genug war

Berlin - Nando Rafael bekam von Dieter Hoeneß die knappste aller Belobigungen, aber mehr konnte der Stürmer auch nicht erwarten. Der Manager von Hertha BSC tippte Rafael kurz gegen die Schulter, „Glückwunsch“, sagte er, dann hatte er sich schon wieder weggedreht. Dieter Hoeneß konnte seine Wut nur mühsam unterdrücken, seine Stimme bebte, er wurde unangemessen laut, als er über das Spiel reden musste, und dass ein ehemaliger Berliner zwei Tore zum 3:1-Sieg des Tabellenletzten Borussia Mönchengladbach gegen den Berliner Fußball- Bundesligisten erzielt hatte, führte auch nicht unbedingt dazu, seine Laune nachdrücklich zu verbessern.

Nando Rafael ist für Hertha eine Art früher Ashkan Dejagah gewesen: Als Jugendlicher ist er nach Berlin gekommen, eine glänzende Perspektive wurde ihm bescheinigt, doch als seine Entwicklung ins Stocken geriet, wurde ihm schleichend der Rückhalt entzogen. Vor einem Jahr dann entschloss sich Rafael, Hertha zu verlassen. „Ganz freiwillig wollten wir ihn nicht gehen lassen“, sagte Trainer Falko Götz. „Dass wir einen guten Stürmer hatten, wussten wir auch.“ Dieses Wissen ist das eine, entsprechend zu handeln das andere. Hoeneß hat Rafael immer als Juwel bezeichnet, aber vielleicht haben die Berliner zu früh die Geduld verloren, weiter an diesem Juwel zu schleifen. Auch in Mönchengladbach verharrte Rafael ein Jahr lang in Stagnation, und erst als alle anderen Stürmer ausgefallen waren oder sich als unfähig erwiesen hatten, bekam der 23-Jährige eine echte Chance. In den letzten drei Spielen erzielte er drei Tore. „Du musst an dich glauben“, hatte ihm Trainer Jos Luhukay gesagt. „Ich glaube an dich.“

Diesen Rückhalt würden auch Herthas junge Spieler gut vertragen. Doch Götz geht mit ihnen sehr viel kritischer um als mit den etablierten, vor allem in der Öffentlichkeit. Herthas Trainer ist in der beneidenswerten Situation, dass er in dieser Saison keinen bestimmten Tabellenplatz erreichen muss, sondern nur das vage Ziel erfüllen soll, junge Spieler zu entwickeln. Aber im Grunde fehlt ihm dafür die nötige Nachsicht. Dass Hertha in dieser Saison ungesunde Schwankungen aufweist, haben Trainer und Manager immer wieder auf die Unerfahrenheit der Mannschaft geschoben. Dabei waren es zuletzt eher die alten Spieler, die mit ihren Fehlern den Gesamterfolg gefährdeten. In Mönchengladbach zum Beispiel Gilberto, der mit einem kindischen Ballverlust das 1:2 einleitete. „Wir haben die Gladbacher eingeladen, die haben das ausgenutzt“, sagte Yildiray Bastürk, der nach fünfwöchiger Pause in die Mannschaft zurückgekehrt war.

Hertha hat fünf der letzten sechs Spiele verloren und ist in der Tabelle auf Platz acht abgestürzt. „Das macht unzufrieden und führt zu schlechter Laune“, sagt Götz. „Wir stecken in einem Teufelskreis.“ Die Hoffnung auf Besserung verbindet sich einstweilen mit Yildiray Bastürk, dem in Gladbach allerdings nur wenig gelang. Dafür schätzte er Herthas Situation sehr realistisch ein: „Wenn man den Verlauf der Rückrunde sieht, mit zwei Heimsiegen zu Beginn und dann nichts mehr, muss man ein bisschen vorsichtig mit seinen Äußerungen sein.“

Für Bastürk musste nach einer Stunde der 20 Jahre alte Patrick Ebert vom Feld, der es als latente Bedrohung immerhin geschafft hatte, die gefährlichen Offensivvorstöße von Borussias Nationalspieler Marcell Jansen weitgehend zu unterbinden. Ebert war zu Beginn der Saison die große Entdeckung Herthas, verschwand dann aber ebenso schnell wieder, wie er aufgetaucht war. Richtig verstanden hat der Mittelfeldspieler dies nicht, aber damit steht er bei Hertha nicht alleine.

Der Fehler liegt im System. Hertha will seinen Kader mit Spielern auffüllen, die aus dem eigenen Nachwuchs kommen; das Problem ist, dass die Spieler anschließend nie wirklich das Gefühl loswerden, Kaderauffüller zu sein. So ist es auch Ashkan Dejagah ergangen, der in der kommenden Saison lieber für den VfL Wolfsburg spielt. Herthas hysterische Reaktion auf seine Wechselabsicht war nicht die Ausnahme, sondern passt ins Bild, das Mannschaft und Verein derzeit abgeben. Den Verantwortlichen fehlt es an Augenmaß, das zeigte sich auch nach der Niederlage in Mönchengladbach. Manager Hoeneß wollte von seiner Mannschaft Torchancen en masse gesehen haben, in Wirklichkeit waren es drei gewesen, und Trainer Götz sprach selbst mit einem Tag Abstand von „spielerisch einer unserer besten Auswärtsleistungen“ – nach einem 1:3 beim Tabellenletzten, der seit knapp fünf Monaten kein Heimspiel gewonnen hatte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false