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Sport: Der Fluch des Ultimatums

Nach der 0:3-Niederlage in Wolfsburg steckt Hertha BSC schon wieder mitten in einer Trainerdiskussion

Berlin. In dem Moment, in dem Dieter Hoeneß sich in den Lichtkegel der Kamerascheinwerfer drehte, blendete er einfach mal einen Teil der Wirklichkeit aus. Er habe „gute Ansätze bei unserer Mannschaft“ gesehen, sagte Herthas Manager nach der 0:3-Niederlage beim VfL Wolfsburg. Die einzige Auswirkung dieser Niederlage sei, „dass wir einen oder gar drei Punkte verloren haben“. Auch das war nur die halbe Wahrheit. Denn nach dem ergebnislosen Bemühen der Mannschaft in Wolfsburg ist der Berliner Bundesligist wieder da, wo er vor dem Ultimatum war – in einer Trainerdiskussion. „Ich hoffe nicht“, sagte Huub Stevens nur, doch es sieht ganz danach aus, dass Hertha in absehbarer Zeit dieses Problem nicht mehr loswird.

Über die Ungewöhnlichkeit dieser Maßnahme ist in der vergangenen Woche vieles geschrieben und noch mehr erzählt worden. Die Entscheider bei Hertha hatten gehofft, nach einem erfolgreichen Bestehen des Ultimatums die Diskussion um Trainer Huub Stevens endlich loszuwerden. Seit Samstag wissen sie nun, wie daneben sie mit ihrer Hoffnung lagen.

Dieter Hoeneß war nach dem glücklichen Pokalsieg in Rostock noch davon ausgegangen, eine „gute und vernünftige Grundlage“ für eine dann ungestörte Zusammenarbeit mit Huub Stevens gelegt zu haben. Man habe gehofft, dass der alte Trainer und die alte Mannschaft eine neue Chance bekommen würden von den Fans und der breiten Öffentlichkeit. „Ich habe das Gefühl, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben“, hatte Hoeneß nach dem letzten Schuss im Elfmeterschießen von Rostock gesagt. Wie trügerisch diese Annahme war, zeigte bereits Spiel eins nach dem Ultimatum. Als die Mannschaft 0:2 hinten lag, schallte aus der Kurve, wo die Anhängerschaft der Berliner Platz gefunden hatte, sattsam bekanntes Liedgut inklusive der „Stevens raus“-Rufe. Am Ende verhöhnten die Hertha-Fans die eigene Mannschaft („Oh, wie ist das schön“) und schrien den Spielern ein „Schämt euch“ hinterher. Dieter Hoeneß dürfte nicht entgangen sein, dass die Angelegenheit weder für ihn und Stevens noch für die Mannschaft einfacher geworden ist. Das Ultimatum ist erfüllt worden, aber erfüllt sich auch die Hoffnung auf eine Zukunft frei von Störungen?

Zudem wurde in Wolfsburg erneut deutlich, wie es um die Qualität des kickenden Personals bestellt ist. Die Mannschaft ist einfach überschätzt, zumal schon seit Wochen nicht ein Spieler Normalform erreicht. Ein überaus begabter D’Alessandro reichte aus, um Herthas Defensive spielerisch leicht auszuhebeln. In den eigenen Reihen stapft ein Niko Kovac über den Platz, als habe er vor lauter „Winnermentalität“ (Hoeneß) des Gegners Tor aus den Augen verloren. Fredi Bobic redete zwar viel, aber in erster Linie mit dem Schiedsrichter. „Von ihm bin ich besonders enttäuscht“, sagte Rupert Scholz, der Vorsitzende des Aufsichtsrats. „Ich wünsche mir, dass er das, was er in der Nationalmannschaft bringt, auch mal bei uns bringt.“ Der Rest ist verunsichert und im kreativen Vermögen limitiert. Wenn dann noch die wenigen Torchancen ausgelassen werden, endet ein Spiel so wie das in Wolfsburg – 0:3. Es ist das fünfte Bundesligaspiel, in dem Hertha kein Tor gelang.

Der Anhang der Berliner ist emotional aufgewühlt. Viele von ihnen empfinden Rostock nicht als Wendepunkt, sondern bestenfalls als Zwischenstopp auf dem Weg zur Endstation. Selbst innerhalb der Mannschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man nicht mehr viel Zeit hat. „Wir müssen jetzt alles geben, sonst wird es ganz bitter“, sagte etwa Marko Rehmer. Und Niko Kovac fügte an: „Das Glück, das wir in Rostock hatten, hat uns wieder verlassen.“ Er hätte auch sagen können: Wir sind keinen Schritt weiter.

Die Stimmung rings um den Verein ist gereizt. Aber ausschließlich dort, außerhalb des Vereins, werden die Ursachen gesucht. Mal wird den eigenen Fans Ungeduld oder Voreingenommenheit vorgeworfen, ein anderes Mal wird den Medien „unfaire Stimmungsmache“ und „Schweinejournalismus“ unterstellt. Am Samstag kommt Borussia Mönchengladbach ins Olympiastadion. Und das ist größer und lauter als die Volkswagen-Arena von Wolfsburg. Die Zuschauer werden wieder genau hinschauen. Denn die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Platz.

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