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Finger weg. Sebastian Vollmer (Nummer 76) beschützt Quarterback Tom Brady. Foto: AFP

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Sport: Der fromme Barsch

Der deutsche Footballspieler Sebastian Vollmer zählt bei den New England Patriots zu den Besten

Es geht gerade eine Grippewelle um in Neuengland, auch Tom Brady hat vergangene Woche ein paar Mal niesen müssen. Ansonsten hat der Quarterback der New England Patriots aber keine gesundheitlichen Sorgen. Dass es Brady so gut geht, ist auch der Verdienst eines Deutschen: Sebastian Vollmer. Der 2,03 Meter große und 143 Kilo schwere Hüne gehört bei den Patriots zur offensive Linie. Diese beschützt den eigenen Spielmacher vor den Angriffen der Gegner.

Sebastian Vollmer besitzt damit eine der wichtigsten Aufgaben im American Football – vor allem bei den Patriots. Quarterback Tom Brady ist einer der erfolgreichsten Spielmacher der National Football League (NFL) und New Englands größter Pluspunkt im Kampf um die Meisterschaft. Drei Mal hat er schon den Super Bowl, das Endspiel, gewonnen, sechs Mal wurde er ins Allstar-Team gewählt. Doch 2008 erlitt Brady im ersten Spiel der Saison einen Kreuzbandriss, die Saison war für ihn nach wenigen Spielminuten zu Ende. New England verpasste in diesem Jahr die Play-offs und 2009 brauchte Brady eine Weile, um wieder zu alter Form zu finden. So machten es sich die Scouts und Trainer der Patriots zur wichtigsten Aufgabe, die besten Bodyguards für Tom Brady zu finden. Denn: Je weniger die Gegner an ihm herumzerren, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, das New England den nächsten Super Bowl gewinnt.

Für Sebastian Vollmer wäre es der erste Titel in seiner noch jungen NFL-Karriere. Auch dank ihm gilt die Offensive Line der Patriots nun wieder als eine der besten der Liga. Sie hat dafür gesorgt, dass die Mannschaft aus Massachusetts mit 480 Punkten bisher die meisten in der NFL gesammelt hat.

Selbst in den USA gibt es keine Statistik darüber, welcher Quarterback im Schnitt am meisten Zeit hat, einen Passempfänger zu suchen – aber gefühlt ist es Tom Brady. Das Spiel am vergangenen Sonntag bei den Buffalo Bills war beispielhaft: Brady warf beim 34:3-Erfolg drei lockere Touchdown-Pässe, dabei hatte er so viel Zeit, dass wieder einmal kein Pass von ihm abgefangen wurde. 319 Pässe hat Brady inzwischen ohne Unterbrechung zu seinen Mitspielern gebracht und damit die bisherige Bestmarke von Clevelands Bernie Kosar aus den Spielzeiten 1990 und 1991 (308 Pässe) übertroffen. Zuletzt unterlief Brady am 17. Oktober beim 23:20-Heimsieg gegen die Baltimore Ravens ein Fehlpass. Die Patriots stehen nun, einen Spieltag vor Ende der regulären Saison, mit 13 Siegen als beste Mannschaft der American Football Conference (AFC) fest und hätten bis zum Super Bowl Heimrecht.

Vollmer spielte dabei so gut wie nie zuvor. „Sebastian ist einer, auf den man sich bei jedem Spielzug verlassen kann“, sagt der sonst chronisch grimmige Chefcoach Bill Belichick. Und Tom Brady sagt: „Er arbeitet sich den Hintern auf. Er ist sehr professionell, einer der reifsten Spieler.“ Und dann sagt der Quarterback noch etwas Entscheidendes: „Er ist ein Führungsspieler für die Jungen im Team.“

Dabei spielt Vollmer gerade einmal seine zweite Saison und seine erste als „Starter“. Der ruhige und oft schüchterne ehemalige Schwimmer aus Kaarst bei Düsseldorf sagt selbst: „Ich habe mich auf jeden Fall verbessert, das hat mit der Erfahrung zu tun. Man erkennt irgendwann schneller, was der Gegner vorhat.“ So positiv hat Vollmer bisher noch nie über sich gesprochen. Er will nicht zugeben, dass sich auch die amerikanischen Medien immer mehr mit ihm befassen, doch Vollmer ist inzwischen ein gefragter Interviewpartner. Trotz der gesteigerten Aufmerksamkeit an seiner Person bleibt Vollmer bescheiden. Der 26-Jährige ist ein sehr gläubiger Mensch, medialer Rummel bedeutet ihm nicht viel. Auch deshalb wurde Vollmer 2009 zum Team geholt. Die Scouts der Patriots achten penibel darauf, ob ein Spieler auch charakterlich passt.

Vollmers Frömmigkeit geht einher mit großer Leidensfähigkeit und Disziplin, die bei den Patriots selbst für NFL-Verhältnisse überdurchschnittlich ist. Dante Scarnecchia ist Kotrainer und zuständig für die Offensive Line. Als ehemaliger Ausbildungsoffizier der Marine gilt er als so etwas wie der Felix Magath der NFL. Wenn Sebastian Vollmer also sagt: „Man muss sich jede Woche verbessern“, oder „Wir haben noch nichts erreicht“, dann sagt er das, weil das seine Vorgesetzten auch gesagt haben.

Sebastian Vollmer funktioniert, er steht jeden Tag um sechs Uhr auf, trainiert und trainiert und kommt gegen sechs Uhr nach Hause. Sonst geht er nirgendwo hin. Er spielt sich nie in den Vordergrund, was seiner Position auf dem Feld entspricht. Tom Brady sagt über den Spieler, den sie wegen seines komplizierten Vornamens nur „sea bass“, den Barsch, nennen: „Er ist ein ruhiger Typ, er lässt lieber Taten sprechen.“ Einem amerikanischen Journalisten gab Brady kürzlich auch eine Begründung dazu, zumindest eine halbe: „Er will einfach von Coach Belichick nicht angebrüllt werden für Sachen, die … nun ja, wir werden alle von ihm mal angebrüllt.“ Sebastian Vollmer würde so etwas über seine Vorgesetzten nie verraten.

Christoph Leischwitz[Miami]

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