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Mesut Özil, FC Arsenal.

© John Walton/PA Wire/dpa

Der Fußball versagt: Die ganzen Anti-Rassismus-Kampagnen sind blanker Hohn

Nicht nur im Fall Mesut Özil: Der Fußball liegt hoffnungslos im Rückstand gegen politische Feiglinge, Homophobe und Rassisten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Fußball war schon immer auch politisch, er ist genutzt und missbraucht worden. Die Diktatoren-WM 1978 in Argentinien ist ein Beispiel, der Kotau von Lothar Matthäus vor Wladimir Putin bei der WM 2018 in Russland ist eines von vielen anderen. Aber zurzeit liegt der Fußball ziemlich hoffnungslos im Rückstand gegen politische Feiglinge, wirtschaftliche Zyniker, moralische Verräter – und gegen Rassisten und Homophobe auf dem Platz und auf den Rängen.

Fangen wir mit den Kurven an: Was da zu hören ist, nachdem es ein paar Jahre relativ zivil zugegangen war, lässt sich auch ohne Videoschiedsrichter ganz schnell klären. Jede Woche ein Massenverstoß gegen das Strafgesetzbuch: Nazischeiß, Gewaltfantasien, Fremdenfeindlichkeit, und fast nichts davon wird geahndet, die anderen Fans im Stadion hören weg.

Auf dem Platz geschieht immer öfter dasselbe, mit psychologischem „Trash Talk“ hat das nichts zu tun – und um das zu erleben, muss man nicht erst nach Cottbus oder Chemnitz fahren. Schiedsrichter, die wegen solcher Vorkommnisse Spiele abbrechen oder auch mal einen ganzen Amateurligaspieltag bestreiken, sind die wahren Helden dieser Zeit. Ebenso wie die Spieler und auch ganze Mannschaften, die sich das nicht mehr gefallen lassen und vom Platz gehen. Das ist übrigens auch eine Option für Zuschauer – raus aus dem Stadion, bis das alles aufhört.

Zu den Vereinen – nehmen wir als Beispiel Arsenal: Selten war es schwerer als in diesen Tagen, Arsenal-Fan zu sein, und das hat nichts mit dem spielerischen Auftritt in dieser Saison zu tun. Was für eine erbärmliche Reaktion der Vereinsführung, sich von Mesut Özil zu distanzieren, nur aus Angst davor, sich das China-Geschäft zu versauen.

Özil hatte auf die Unterdrückung der Uiguren hingewiesen und das Schweigen der Muslime kritisiert, er tat das außerhalb des Stadions. Aber Arsenal will in China eine Restaurantkette eröffnen und weiterhin TV-Millionen kassieren und lässt sich deshalb erpressen. Was für eine Schande.

Selbstverständlich muss der Spieler Özil seine Meinung äußern dürfen, ob sie einem nun gefällt oder nicht. Er muss auch eine andere Meinung aushalten, ganz klar. Aber diese zynische Bigotterie seines Vereins ist keine Meinung, sondern eine haltlose, unmoralische Unterwerfung.

Nicht die Politik macht den Fußball kaputt, sondern der Umgang damit

Bleiben die Clowns aus den Verbänden. Und nochmal das Beispiel Özil: Jahrelang war der DFB nicht in der Lage, seinen Spieler vor Rassismus zu schützen. Aber ein blödes Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in einer privaten Situation reichte, um Özil zum Abschuss freizugeben.

Die ganzen Anti-Rassismus-Kampagnen sind ein blanker Hohn, ein scheinheiliger, billiger Verrat, wenn aus den Kampagnen keine Konsequenzen gezogen werden. Wäre das anders, könnte auch der DFB glaubwürdig Özil kritisieren: Meinung, Gegenmeinung, fertig. Aber so verklemmt und verschämt, wie der DFB reagiert, ist jedes Anti-Rassismus-Transparent lächerlich. Nicht die Politik macht den Fußball kaputt, sondern der Umgang damit. Zynismus, Bigotterie und Rassismus verderben den Leuten zunehmend den Spaß am Spiel.

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