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Sport: Der Geist von 2001

Die Bayern ziehen vor der Reise nach Chelsea Kraft aus ihrer eigenen Vergangenheit

Hermann Gerland machte einen unbedachten Schlenker, und schon hätte ihn der Nationaltorwart beinahe überfahren. Der Amateurtrainer des FC Bayern München war mit dem Fahrrad unterwegs in der Säbener Straße, und als er sich gerade verabschieden wollte am Trainingsgelände, bog Oliver Kahn in seinem 500PS starken Kombi um die Ecke – eine imposante Erscheinung, zumal er eine Sonnenbrille mit großen Gläsern trug, hinter denen er noch bedrohlicher aussah als im Torwartdress. Doch Kahn ist ein überdurchschnittlich reaktionsschneller Mensch, deswegen bremste er jäh und verhinderte einen Zusammenstoß.

Das war auch schon alles an Aufregung bei den Bayern am Montag. Einen Tag vor dem Abflug zum großen Spiel in London, dem ersten Champions-League-Viertelfinale am Mittwoch beim FC Chelsea (20.45 Uhr, live in Sat.1), gaben sich die Münchner demonstrativ gelassen. Trainer Felix Magath bestellte seine Spieler erst für 16 Uhr zum Training, und ein wenig schien es, als hätten sie jene Botschaft eingeatmet, die der Manager am Wochenende in Umlauf gebracht hatte. „Ich glaube, dass ich kleine Parallelen erkenne“, hatte Uli Hoeneß mit Blick auf das Jahr 2001 berichtet, als die Bayern – ebenfalls nach rumpeligem Saisonstart – die Champions League gewannen.

Eine Wiederholung jenes epochalen Augenblicks vor drei Jahren ist erwünscht aber nicht geplant, und darin könnte ein Vorteil der Münchner im Duell mit jener Mannschaft liegen, die sich der Öl-Milliardär Roman Abramowitsch als Hobby leistet. Geduld zählt nicht zu den ausgeprägten Tugenden des Klub-Fürsten. Das bekam Chelseas Ex-Trainer Claudio Ranieri zu spüren, als er sich erlaubte, nicht gleich im ersten Jahr die Champions League zu gewinnen. Was für dessen Nachfolger, dem umstrittenen José Mourinho, unausgesprochene Pflicht ist, wäre für Magath Kür. In seinem ersten Jahr in München ist der Gewinn der Meisterschaft das Kriterium, an dem seine Arbeit gemessen wird.

Am Mittwoch wird er seine Mannschaft umbauen müssen. Der Argentinier Martin Demichelis ist gesperrt. Für ihn wird wohl Torsten Frings den Abräumer geben, Hasan Salihamidzic (rechts) und Bastian Schweinsteiger (links) werden die Flügel besetzen. Vorne steht nach Claudio Pizarros Ausfall (Muskelfaserriss) zumindest Roy Makaays Einsatz nicht mehr in Frage. „Es geht mir gut, meine Auswechslung gegen Wolfsburg war nur eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte der Stürmer.

Zu einer verbindlichen Einschätzung der Spielstärke des Gegners mochte sich danach kein Münchner äußern, Qualitätsvergleiche über Ligagrenzen hinweg sind ohnehin schwierig, manchmal zudem nicht unbedingt wünschenswert. Die Premier League ist allseits als eine der stärksten Spielklassen der Welt anerkannt, und in jener liegt Chelsea inzwischen so weit vorne, dass der Zweite, Arsenal, sich kaum ungeniert als Verfolger bezeichnen darf. 80 Zähler hat Chelsea nach nunmehr 31 Spielen auf dem Konto. Um diese Marke zu erreichen, müsste Bayern in den nächsten vier Spielen 24 Punkte holen.

Daniel Pontzen[München]

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