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Sport: Der Geist von München

Heide Rosendahl erinnert sich an die Olympischen Spiele von 1972 – die EM 2002 soll einen ähnlichen Schub bringen

Von Jörg Wenig

Dieser Geist wäre willkommen, denn die deutsche Leichtathletik könnte ihn gut brauchen. Vor 30 Jahren fanden in München die Olympischen Spiele statt. Es war das bedeutendste Sportereignis in Deutschland in der Nachkriegszeit. Und es war ein großer Erfolg – trotz des fürchterlichen Terrorakts, der blutig endete, nachdem ein Palästinenser-Kommando israelische Sportler als Geiseln genommen hatte. „Irgendwie trennt man das. Die Sache mit dem Terroranschlag behält man in einer anderen Ecke in Erinnerung“, sagt Heide Ecker-Rosendahl, die damals im bundesdeutschen Trikot Gold im Weitsprung und mit der 4-x-100-m-Staffel gewann sowie Silber im Fünfkampf. „Meine Erinnerungen sind alle positiv, es gab tolle Wettkämpfe.“ Bevor morgen im Münchner Olympiastadion die Leichtathletik-Europameisterschaften beginnen, ist nicht so sehr von den erfolgreichen, jüngeren Veranstaltungen in Deutschland die Rede. Die Weltmeisterschaft 1993 und die Europameisterschaft 1986, jeweils in Stuttgart, galten als herausragend. Doch erinnert wird in diesen Tagen an den Geist von München.

„Olympische Spiele, das ist natürlich noch eine andere Dimension“, meint Heide Ecker-Rosendahl. „Und hinzu kommt noch, dass es für uns Leichtathleten vor 30 Jahren an echten Höhepunkten nur die Olympischen Spiele und die Europameisterschaften gab – es existierten weder Weltmeisterschaften noch eine Golden League.“

Für Heide Ecker-Rosendahl, die bis vor rund eineinhalb Jahren Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) war und sich jetzt für die Olympiabewerbung 2012 des Verbundes Düsseldorf/Rhein-Ruhr engagiert, ist der Erfolg von München 1972 für die deutsche Leichtathletik ein langfristiger gewesen. „Ich glaube, wir haben bis heute davon profitiert. Viele gute Athleten wurden lange Zeit noch von den Spielen von München beeinflusst.“ Vor allen Dingen „als großen Bruder- und Schwesterkampf“ hat Armin Baumert Olympia 1972 in Erinnerung. Der frühere Weitspringer, der seine Karriere verletzungsbedingt im Winter 1972 beendet hatte, erlebte die Spiele von der Tribüne aus. „Die eigentlich unschlagbare DDR in der Sprintstaffel zu besiegen, das war wertvoller als die Einzelmedaillen“, erinnert sich Baumert an das 4-x-100-m-Rennen, als Heide Rosendahl als Schlussläuferin vor Renate Stecher ins Ziel sprintete. Baumert, heute als Leistungssportchef beim Deutschen Sportbund (DSB) tätig, arbeitete damals als Lehrer an einem Gymnasium in Mayen (Rheinland-Pfalz). „Mayen war eine fußballverrückte Stadt, aber die Leichtathletik-Erfolge von München haben ausgestrahlt. Mit der Leichtathletik hatte ich als Sportlehrer damals auch dort Rückenwind. Die Siege von München haben im nationalen Konkurrenzkampf mit anderen Sportarten geholfen“, erzählt Armin Baumert. „Der Aufschwung hielt bis zu den Spielen 1976 in Montreal, dann kehrte wieder Realismus zurück." War München 1972 auch ein Bruder- und Schwesterkampf, so wird München 2002 oft schon als Überlebenskampf für die deutsche Leichtathletik beschrieben. Das ist etwas übertrieben. Aber zumindest richtungsweisend werden diese zweiten Europameisterschaften auf deutschem Boden für die olympische Kernsportart sein. In Zeiten, da große Meetings verschwinden, eine Fernsehpräsenz immer schwieriger wird, Sponsoren verloren gehen und es neuer Persönlichkeiten in der Leichtathletik bedarf, kann München wie vor 30 Jahren wieder ein Signal geben.

„München ist eine entscheidende Chance für die deutsche Leichtathletik bezüglich des Medieninteresses und der Begeisterung für den Nachwuchs“, sagt Heide Ecker-Rosendahl, deren Sohn Danny verletzungsbedingt auf seinen Start im Stabhochsprung verzichten muss. „Ich denke, es werden stimmungsvolle Europameisterschaften, die sicherlich auch eine Euphorie auslösen werden. Es kann einen Aufwind für die Leichtathletik geben, denn es ist ja auch eine einfach zu betreibende Sportart. Entscheidend ist, was der Verband aus der EM machen kann. Ich hoffe, die Vereine sind darauf vorbereitet." „Die EM ist für die deutsche Leichtathletik die große Chance, in einem Heimspiel Stärke zu zeigen“, sagt Armin Baumert und fügt hinzu: „München müsste das ideale Pflaster sein.“ Für die Kernsportarten Leichtathletik, Schwimmen und Turnen sei Rückenwind dringend nötig, um gegen die erdrückende Macht des Fußballs antreten zu können. Die Schwimmer hatten in Berlin bei der EM den Aufwind, den die Leichtathleten nun aus München mitnehmen sollen. „Es darf nicht passieren“, so Baumert, „dass man in Deutschland beginnt, die Leichtathletik als Randsportart zu betrachten.“ Der DSB-Leistungssportchef, lange Jahre Leichtathletiktrainer, hofft vor allen Dingen auf eines: „Wir brauchen Idole. Und die Möglichkeit ist da, denn es gibt vier bis fünf Goldchancen."

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