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Sport: Der Geometriker

Für Simon Rolfes war es das wichtigste Spiel – bisher

Basel - Simon Rolfes weiß, wie wichtig es als defensiver Mittelfeldspieler ist, richtig zu stehen und entscheidende Situationen schon in ihrem Kern zu erahnen. Am Donnerstagabend, um kurz nach halb elf, stand er definitiv richtig. Michael Ballack musste sich nur umdrehen, um Rolfes in seinem Rücken auszumachen. Mit zehn Schritten hatte er zu seinem Schattenmann aufgeschlossen. Deutschlands Kapitän nahm Rolfes in den Arm und drückte entschlossen zu. Der Leverkusener war der erste Mitspieler, den Ballack nach dem Sieg gegen Portugal zu greifen bekam. Zufall war das vermutlich nicht.

Das Spiel des Simon Rolfes kennt wenige Zufälle. Er ist ein analytischer junger Mann, der in der Schule Physik und Mathematik als Leistungskurse belegt hat und dessen Fußballspiel sich durch eine fast geometrische Klarheit auszeichnet. Bundestrainer Joachim Löw hat sich schon häufiger lobend über den Leverkusener ausgelassen, der perfekt in seine Idee vom Fußball passt. Überraschenderweise aber hat Löw seinen Worten nur selten Taten folgen lassen. Bis zum Donnerstagabend und jenem Spiel gegen Portugal, das man eines Tages vielleicht als Schlüsselspiel der Ära Löw begreifen wird.

Gegen Portugal stand Rolfes zum ersten Mal bei der EM in der Startelf, es war sein elfter Einsatz in der Nationalmannschaft, aber nie zuvor hatte er ein Länderspiel von solcher Bedeutung bestritten. „Das war das wichtigste Spiel meiner Karriere“, sagte Rolfes. Trotzdem ging er seine Aufgabe mit kühlem Kopf an. „Ich war relativ entspannt“, berichtete er.

Vordergründig hatte Rolfes seinen Einsatz zwei Faktoren zu verdanken: der Verletzung von Torsten Frings und der Verdopplung der Planstellen im defensiven Mittelfeld. Gemeinsam mit Thomas Hitzlsperger bildete Rolfes eine Doppelsechs mit dem expliziten Auftrag, die Zentrale vor der wackligen Innenverteidigung zu verdichten und bei Bedarf die Außenverteidiger zu unterstützen. Hintergründig wollte Löw ein Element in die Mannschaft bringen, das er in den Spielen gegen Kroatien und Österreich vermisst hatte: Ball- und Passsicherheit. „Simon spielt nicht immer spektakulär, aber sehr effizient“, sagte Löw. Er verliere nie die Übersicht, könne sich in Zweikämpfen behaupten, habe ein gutes fußballerisches Niveau und mache das Spiel schnell.

Vielen galt der Leverkusener in der vergangenen Saison als der stärkste deutsche Spieler der Bundesliga, für die EM wurden ihm trotzdem nur geringe Einsatzchancen eingeräumt. Im zentralen Mittelfeld schien Rolfes hinter Ballack, Frings, Hitzlsperger und Borowski nur fünfte Wahl zu sein. Tim Borowski hat er zumindest schon hinter sich gelassen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich im Laufe eines Turniers ein Spieler ins Team spielt, mit dem vorher niemand gerechnet hat. Bei der WM 1974 war das Rainer Bonhof, der mit 22 Jahren jüngste Spieler im deutschen Aufgebot. „In der Vorbereitung kristallisiert sich irgendwann eine Stammelf heraus. Da gehörte ich nicht unbedingt dazu“, sagt er. „Andere haben den Kopf hängen lassen, aber ich habe mir gesagt: Verdammte Hacke, wenn du schon hier bist, trainierst du auch anständig, notfalls für die neue Saison.“ Nach der Niederlage gegen die DDR rückte Bonhof in die Mannschaft – und blieb es fortan.

Wenn es gut läuft für die Deutschen, kann Rolfes in der nächsten Woche noch zweimal das wichtigste Spiel seiner Karriere bestreiten. Stefan Hermanns

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