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Sport: Der große Bruder

Mit seinem zweiten Sieg in der Formel 1 in Folge drängt Ralf Schumacher sein Vorbild Michael in den Hintergrund

Magny-Cours. Sie saßen nebeneinander auf der Pressekonferenz, und ihre Mienen sagten eigentlich schon alles. Ralf Schumacher, der Sieger des Formel-1-Rennens von Magny-Cours, sah aus, als könne er sein Glück noch gar nicht fassen, das Glück, dass er nun wirklich aus dem Schatten seines großen Bruders herausgetreten ist. Neben ihm Michael Schumacher, der zwar mit seinem dritten Platz weitere WM-Punkte gesammelt hatte, aber seinen Frust nicht verbergen konnte, dass er im Moment gegen seinen Bruder und dessen BMW-Williams-Teamkollegen Juan Pablo Montoya praktisch chancenlos ist.

Vom Start weg hatte beim zehnten WM-Lauf der Saison BMW-Williams das Rennen beherrscht. Unwiderstehlich war Ralf Schumacher in der Anfangsphase davongezogen. So, als sei er mit etwas weniger Benzin als die Konkurrenz unterwegs. Genau das Gegenteil war aber der Fall, er blieb sogar länger auf der Strecke als alle anderen Top-Piloten. „Gerade in der ersten Phase war das Auto absolut perfekt. Ein bisschen schwieriger wurde es dann nur in der zweiten Hälfte, da hat wohl bei einem Reifensatz irgendwas nicht gestimmt. Eventuell war es der Reifendruck, das müssen wir noch überprüfen. Dann bin ich beim Überrunden ein bisschen aufgehalten worden“, sagte Ralf Schumacher. Dadurch kam Montoya vor dem letzten Boxenstopp noch einmal dicht heran, aber Schumacher schaffte es gerade noch, wieder als Erster aus der Box auf die Rennstrecke zu kommen.

„Juan Pablo ging ein bisschen früher an die Box als geplant, weil er einige Autos vor sich hatte. Als ich das gesehen habe, wusste ich, dass ich sofort reagieren musste, sonst hätte er mich abgehängt. Ich habe also die Box angefunkt und gesagt, dass ich in der nächsten Runde auch sofort reinkommen wolle – und ich muss dem Team danken. Es hat wirklich toll reagiert, es hat alles geklappt."

Damit war das Rennen entschieden. „Es hat nicht viel gefehlt, eine Sekunde vielleicht, aber dieser Stopp hat den Ausschlag gegeben“, stellte der Kolumbianer resigniert fest. „Ich habe dann auch gar nicht mehr angegriffen, das hätte keinen Sinn gemacht auf dieser Strecke, auf der man unter normalen Umständen sowieso nicht überholen kann, das ist hier ja fast wie in Monaco.“

Selbst ein kleiner Ausrutscher kurz vor Schluss brachte Ralf Schumacher nicht aus der Ruhe. „Ich habe ein bisschen spät gebremst, aber es war nicht weiter dramatisch. Aber dadurch, dass man es offensichtlich im Fernsehen gesehen hat, hat es halt meine Boxencrew auch mitbekommen und gleich nachgefragt, ob ich ein Problem hätte.“

Hatte er nicht – und deshalb heißt der derzeitige Herrscher in der Formel 1 Ralf Schumacher, der sich offenbar in der Form seines Lebens befindet. Der Aufschwung bei seinem Team, der Gedanke, dass seine Chancen steigen, dass er den Titel in Reichweite haben könnte, verschaffen ihm eine Gelassenheit und eine Souveränität, die dem Mann, der als ewiger „kleiner Bruder“ stigmatisiert schien, viele Kritiker nicht zugetraut haben.

Und Michael Schumacher kann vor allem auf Grund der Schwäche von Bridgestone, dem Reifenproduzenten, der Ferrari beliefert, nichts dagegen tun. Die Souveränität, mit der ihn die Konkurrenz, allen voran sein Bruder, im Augenblick davonfährt, kann nichts anderes als Frust erzeugen, auch wenn der Weltmeister versucht, sich darüber zu freuen, dass die Siege wenigstens in der Familie bleiben. Michael Schumacher gibt sich als Optimist, aber das muss er auch tun. Das ist die Rolle für die Öffentlichkeit. Andererseits: Er ist ein Kämpfer, er gibt nie auf, solange es noch Chancen gibt. „Ich habe noch einige Punkte Vorsprung in der WM-Wertung“ sagt er.

Die hat er aber vor allem deshalb, weil es bei McLaren-Mercedes im letzten Teil des Rennens einige Probleme gab – vor dem letzten Stopp hatten Kimi Räikkönen und David Coulthard noch vor dem Ferrari gelegen. Aber dann ging bei dem Schotten durch ein Problem mit der Tankanlage der Stopp völlig schief, und bei dem Finnen sorgten Bremsprobleme dafür, dass er in den entscheidenden Runden nach seinem dritten Stopp zu viel Zeit auf Schumacher verlor. „Wir wissen, dass wir ein Problem haben, aber wir wissen auch, was wir tun müssen", sagt er. Wie das gehen soll, will er allerdings nicht verraten: „Dann würde Ralf ja mithören."

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