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Sport: Der große Unterschied

Hertha hat viele überragende Nachwuchsspieler, das heißt nicht, dass sie auch überragende Profis werden

Berlin - Anonymität kann Malik Fathi an dieser Stelle leider nicht gewährt werden. Schon deshalb nicht, weil Malik Fathi nicht darauf bestanden hat, seinen Namen zu schwärzen, als er jene Sätze sprach, die von seinem Trainer durchaus als unzulässige Einmischung in dessen innere Angelegenheiten hätten verstanden werden können: Ashkan Dejagah, so sagte also Fathi über seinen Kollegen von Hertha BSC, habe gezeigt, „dass er auf jeden Fall eine Alternative ist. Es wird schwierig sein, ihn draußen zu lassen.“ Als Falko Götz, der Trainer des Berliner Fußball- Bundesligisten, mit dieser Aussage konfrontiert wurde, verbat er sich überraschenderweise diesen unzulässigen Eingriff in sein Ressort: „Ich weiß nicht, wer das gesagt hat“, sagte er. „Aber solche Sachen entscheide immer noch ich.“

Schöne Probleme haben sie bei Hertha, wenn die derzeit dringlichste Frage die ist, was eines noch nicht absehbaren Tages mit dem Spieler passieren wird, der nun seit Anfang des Monats den Unersetzlichen ersetzt und das Gesetz widerlegt hat, dass Hertha ohne Yildiray Bastürk nicht gewinnen kann. Seitdem Ashkan Dejagah den verletzten Türken auf der Position des Spielmachers vertritt, haben die Berliner dreimal gewonnen und zweimal unentschieden gespielt. Kann Hertha am Ende mit Dejagah nicht verlieren?

Es ist jedenfalls eine atemraubende Geschichte, die Dejagah, gebürtiger Iraner und deutscher U-20-Nationalspieler, zurzeit erlebt. Als er vor drei Wochen gegen Nürnberg erstmals von Beginn an bei den Profis auflaufen durfte, hatte er es innerhalb von 27 Monaten auf gerade vier Bundesligaeinsätze und 56 Spielminuten gebracht. Seitdem stand er fünfmal in der Anfangself, und am Samstag gegen Aachen erzielte Dejagah mit seinem ersten Bundesligator den 2:1-Siegtreffer für Hertha.

Dejagahs Geschichte ist fast prototypisch für die Entwicklung junger Spieler bei Hertha BSC, deren Karriere nach einem rasanten Beginn ins Stocken geriet. Wie dem 20 Jahre alten Dejagah ist es zuvor auch schon Malik Fathi und Sofian Chahed ergangen. „Ich glaube, dass Ashkan sich vieles leichter vorgestellt hat“, sagt Götz. „Aber es ist nun mal ein Unterschied, ob du ein herausragender Spieler in der Jugend bist oder ob du dich in der Bundesliga durchsetzen willst.“

Das Beispiel Dejagah zeigt, dass man nur durch Bundesligaspiele richtiger Bundesligaspieler wird. „Klar musst du spielen“, sagt Manager Dieter Hoeneß, „aber du musst dir die Spiele auch verdienen“. Es ist ein wunder Punkt in der Nachwuchsarbeit der Berliner, die zuletzt hymnisch gelobt wurde. Man konnte ja schon den Eindruck gewinnen, dass der DFB ohne Spieler von Hertha BSC sämtliche Jugend-Nationalmannschaften vom Spielbetrieb abmelden müsste; doch ganz oben kommt zu wenig an. Fünf Millionen Euro investiert der Verein pro Jahr in den Nachwuchs, die drei A-Länderspiele, die Malik Fathi (zwei) und Alexander Madlung (eins) bisher erwirtschaftet haben, sind dafür ein dürftiger Ertrag.

Die hoch gelobten Absolventen der Nachwuchsakademie spielen inzwischen bei mittelmäßigen Erstligisten – Benjamin Köhler in Frankfurt, Oliver Schröder in Bochum und Thorben Marx in Bielefeld –, in der zweiten Liga, Pascal Bieler (Essen), oder in der Regionalliga, Sead Salihovic (Hoffenheim) und Alexander Ludwig (Dresden). Ashkan Dejagah, zwei Jahre lang nur in Herthas zweiter Mannschaft eingesetzt, schien eine ähnliche Entwicklung bevorzustehen. „Es war schon eine schwere Zeit für mich, vom Trainer immer wieder runtergeschickt zu werden“, sagt er. Mittlerweile gilt Dejagah neben Kevin Boateng als Verheißung auf eine große Zukunft. „Wir haben lang genug eingezahlt“, sagt Hoeneß. „Jetzt kommt, wie es neudeutsch heißt, der return on investment.“ Die Aussage zeigt, dass die Berliner die Nachwuchsarbeit intern sehr viel kritischer gesehen haben, als es ihre öffentlich zur Schau gestellte Zufriedenheit vermuten ließ.

Götz klingt nun wieder sehr forsch: „Wir haben Spieler aus der Akademie entwickelt, die Topstars der Bundesliga werden können.“ Nach den jüngsten Auftritten zählt dazu auch wieder Ashkan Dejagah – weil er inzwischen erkannt zu haben scheint, dass er bei den Profis anders spielen muss als gegen Gleichaltrige in der Jugend. „Es sieht eben blöd aus, wenn du in der Bundesliga dreimal ins Dribbling gehst und dreimal den Ball verlierst“, sagt Götz. Die jungen Spieler sollen ihre Stärken nicht verlieren, sie aber den neuen Erfordernissen anpassen. Das ist nicht immer einfach. Bei Malik Fathi zum Beispiel war Götz „sehr zufrieden mit seinem Zweikampfverhalten, seinem Stellungsspiel, aber irgendwann wollten wir auch neue Komponenten sehen: Flanken, Offensivspiel, Kopfbälle“. Gegen Bayern München erzielte Fathi sein erstes Bundesligator. Aber um welchen Preis? Der zweikampfstarke Fathi verlor ungewohnt viele Zweikämpfe, und Hertha unterlag 2:4.

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