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Sport: Der Heimat einen Korb

Der Amerikaner John Robert Holden spielt bei der Basketball-EM für Russland

Ein russischer Nationalspieler sitzt am Freitagabend im „Centar Millenium“ in Vrsac immer etwas abseits seiner Mannschaft. Während Trainer Sergej Babkow in den Auszeiten redet und auf seinem Taktikbrett herumkritzelt, blickt ihn dieser Basketballspieler aus drei Meter Entfernung nur unsicher an. „Ich sitze nicht deshalb so weit weg, weil die anderen mich nicht mögen“, erklärt er später, „es ist nur so: Ich spreche kein Russisch.“

Der Aufbauspieler der russischen Nationalmannschaft ist kein Russe. Er heißt John Robert Holden, stammt aus Pittsburgh in den USA und fällt in seinem Team schon durch seine schwarze Hautfarbe auf. In den Auszeiten sitzt ein Betreuer neben ihm und übersetzt die Anweisungen des Trainers, der nur sehr schlecht Englisch spricht. Trotz dieser Kommunikationsprobleme ragt Holden, den alle nur „J.R.“ nennen, in seinem Team heraus. Beim Erfolg über die Ukraine steuerte er 16 Punkte bei. Heute spielt der ungewöhnliche Russe bei der Europameisterschaft in Serbien-Montenegro gegen die deutsche Mannschaft (21 Uhr, live im DSF). Wie und warum J.R. Holden seine zweite Staatsbürgerschaft bekam, ist eine Geschichte, wie sie im modernen Sportgeschäft inzwischen öfter vorkommt.

Der Manager von ZSKA Moskau hatte vor zwei Jahren die Idee, seinen amerikanischen Spielmacher einzubürgern. Er wollte sein Team verstärken, doch die Ausländerregel in der Europaliga ließ nur zwei Nicht-Europäer pro Mannschaft zu. Da entdeckte er in den russischen Gesetzen eine Regelung, nach der eine Person „für besondere Verdienste für das Land“ mit einem russischen Pass belohnt werden kann. Diese Verdienste, so dachte er, könnten auch in der Zukunft liegen. Und so kam es, dass ihm am 20. September 2003 der russische Präsident Wladimir Putin persönlich seinen zweiten Pass überreichte.

Vor vier Jahren hat sich das deutsche Team ebenfalls diesen Trick erlaubt. Per Eilverfahren wurde der US-Amerikaner Shawn Bradley eingebürgert. Der 2,29 Meter große Centerspieler spielte als Neu-Deutscher bei der EM in der Türkei. Allerdings hatte der Mormone vom NBA-Klub Dallas Mavericks deutsche Vorfahren, die das Einbürgerungsverfahren möglich machten. Bei J.R. Holden gibt es keinen Bezug zu Russland – außer dass er für ZSKA Moskau spielt. Dort jedoch besitzt er einen lukrativen Vertrag. Und das dürfte der eigentliche Hintergrund für den Nationalitätswechsel sein.

J.R. Holden steht vor der Umkleidekabine. Er trägt eine schwarze Baseballkappe, eine knielange schwarze Hose und weiße Basketballstiefel. Alles an ihm ist amerikanisch, doch in seinem Heimatland möchte er erst mal nicht spielen. „In der NBA würde ich nicht so viel verdienen“, sagt er mit hoher Stimme, „dort müsste ich ganz von vorne anfangen.“ In Europa hingegen hat er sich von einem Vertrag in Riga, der mit 3000 Dollar pro Monat dotiert war, nach ganz oben gearbeitet. Bei ZSKA Moskau soll er knapp eine Million Dollar verdienen, der Klub verfügt über den höchsten Etat in Europa. So bekommt Holden seine zweite Staatsbürgerschaft gut bezahlt.

J.R. Holden will in diesem Winter zwar Russisch lernen. Doch in jeder freien Minute reist er zurück in seine Heimat. Dort muss er die Sprüche seiner Freunde ertragen. „Die machen schlechte Scherze“, sagt Holden, „sie fragen, ob ich auch gegen die USA spielen würde.“ Und, würde er es machen, zum Beispiel bei der WM im nächsten Jahr? „Ja, im Basketball bin ich jetzt Russe“, antwortet Holden.

Dann muss er noch etwas richtigstellen. In Vrsac kursierte das Gerücht, dass er bei seiner Einreise nach Serbien-Montenegro Probleme gehabt habe. „Stimmt nicht“, sagt J. R. Holden und kramt in seiner linken Hosentasche, „ich habe einfach diesen Pass vorgezeigt.“ Der Spielmacher der russischen Nationalmannschaft zückt ein dunkelblaues Dokument. Auf der Vorderseite steht in goldenen Lettern: United States of America.

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