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Sport: Der Himmel hilft

Riesenslalom abgesagt: Maria Riesch wird Gesamt-Weltcupsiegerin und erfüllt sich ihren größten Traum

Berlin - In der entscheidenden Sekunde senkte Maria Riesch den Kopf und faltete die Hände vor ihrer Nase, als würde sie im stillen Gebet versinken. Eine Fernsehkamera fing die Szene ein, natürlich, Riesch war quasi nie unbeobachtet, seit sie in Lenzerheide ihr Hotelzimmer verlassen hatte. Für einige Sekunden wollte Maria Riesch diesen Triumph ganz für sich auskosten, vielleicht musste sie ihn auch erst mal verarbeiten. Ihrem Trainer und den Teamkolleginnen konnte sie dann immer noch um den Hals fallen.

Maria Riesch aus Garmisch-Partenkirchen, 26 Jahre alt, Medien- und PR-Star, hat den Gesamt-Weltcup im Ski alpin gewonnen. Kampflos an diesem Samstag. Der entscheidende Riesenslalom, der geplante Showdown zwischen Titelverteidigerin Lindsey Vonn (USA) und Riesch fiel aus. Dichte Nebelschwaden waberten über der Piste, ein Rennen war unmöglich. Und damit behielt die Deutsche in der Endabrechnung ihren hauchdünnen Vorsprung von drei Punkten auf ihre beste Freundin.

Gesamt-Weltcup-Sieg, das klingt so nüchtern, dem Titel fehlt der Mythos, die Emotionalität, das Spektakuläre. Aber nur für Fans und Medien. Maria Riesch ist Weltmeisterin, sie ist Doppel-Olympiasiegerin, sie hat all diese spektakulären Medaillen, aber die sind nichts gegen diese Kristallkugel. „Das ist das Größte für mich überhaupt“, sagte sie ergriffen. „Als Sportlerin ist der Gesamt-Weltcup das Größte, was man erreichen kann. Deswegen ist für mich der größte Traum in Erfüllung gegangen.“

Wer Gesamtweltcup-Siegerin wird, der hat monatelang Spitzenresultate gebracht, nicht bloß zufällig an einem medial extrem aufgewerteten Tag bei Olympischen Spielen oder einer WM. Der hat auch einem enormen psychischen Druck standgehalten. Es hat ja seinen Grund, dass Riesch erst als dritte Deutsche diesen Titel gewonnen hat. Ihre Vorgängerinnen heißen Rosi Mittermaier (1976) und Katja Seizinger (1996, 1998).

Den psychischen Druck der Maria Riesch hat man in der Öffentlichkeit nur unzureichend registriert. Wie auch? Die Öffentlichkeit verstärkte ja den Druck. Riesch hatte reihenweise Weltcup- und zwei Olympiasiege geholt, und den WM-Titel, für so jemanden ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein Platz auf dem Podest ein Pflicht-Standort. Durch ihren enormen PR-Einsatz sorgte sie allerdings auch noch selber dafür, dass die Erwartungen angeheizt werden. Ihre eigenen Ambitionen kamen noch hinzu.

Als 19-Jährige war sie schon mal Dritte in der Gesamtwertung, danach galt vielen Beobachtern als eine Art Naturgesetz: Es ist ist nur eine Frage der Zeit, bis sie die Kugel gewinnt. Aber danach hatte sie zwei Kreuzbandrisse, und nach solchen Verletzungen haben alle Topsportler Mühe, mental wieder so aggressiv zu fahren wie früher. In diesem Jahr kam noch der Druck durch die WM in ihrer Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen dazu. Sie war krank, trotzdem gewann sie zwei Bronzemedaillen.

Dass auch Riesch kein Roboter ist und zum Ende der Saison Schwächephasen hat, das allein hätte den Kampf um den Gesamtsieg noch nicht zum Showdown hochgepuscht. Rieschs Problem war, dass sich Vonn gerade in dieser Phase enorm steigerte. In sechs Rennen nahm sie ihrer deutschen Rivalin Punkte ab und verkürzte ihren Rückstand immer mehr.

Und vor dem entscheidenden Rennen suchte auch Vonn himmlischen Beistand. „Ich kann den lieben Gott nur um Hilfe bitten, dass ich am Samstag die Chance bekomme, meinen Titel zu verteidigen“, verkündete sie am Freitag pathetisch, alle Konzentration auf die Wettervorhersage gerichtet. Aber der liebe Gott war dann doch lieber auf der Seite einer jungen Frau aus Garmisch-Partenkirchen.

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