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Sport: Der Hölle entkommen

Deutschlands 24:23 gegen Mazedonien verhindert das Aus bei der Handball-EM.

Martin Heuberger war gezeichnet. Das Drama in der Cair Hall in Nis hatte den neuen Bundestrainer mitgenommen. Ein Lattenwurf neun Sekunden vor Schluss, die entschlossene Ballsicherung durch Michael Haaß – der erste Sieg der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der EM in Serbien hatte war mehr als knapp. „Es war irrsinnig“, keuchte Heuberger nach dem 24:23 (12:12)-Sieg gegen ein starkes Mazedonien. „Das war ein unfassbarer Hexenkessel. Ich freue mich über die Leistungssteigerung. Dieser Sieg war lebensnotwendig, aber es war nur ein Spiel.“ Nach diesem Krimi hat Deutschland das vorzeitige Aus verhindert und weiterhin die Chance auf das Erreichen der Hauptrunde, am Donnerstag sind die bereits für die Hauptrunde qualifizierten Schweden letzter Vorrundengegner.

Es war, wie erwartet, ein Gang durch die Hölle. Die mazedonischen Fans veranstalteten einen infernalischen Lärm; die Gesänge, die sie schmetterten, entwickelten eine Lautstärke wie auf einen Rockkonzert. „Deutschland, Deutschland, auf Wiedersehen“, brüllten sie schon vor Anpfiff im Chor. Überall eine wogende Masse in Rot und Gelb, den Nationalfarben des an Serbien grenzenden Balkan-Staates. Zeitweise verhinderte die tobende Menge neue taktische Gedanken. „Es war so laut, dass ich manchmal keine Möglichkeit mehr hatte, einzugreifen“, berichtete Heuberger.

Durch Tore von Lars Kaufmann, Holger Glandorf und Patrick Groetzki führte das Team mit 3:0, bevor die Mazedonier den ersten Ball auf das Tor gebracht hatten, das diesmal von Carsten Lichtlein statt Silvio Heinevetter gehütet wurde. Die zweite überraschende Maßnahme Heubergers, war Kapitän Pascal Hens für Kaufmann auf der Bank zu lassen. Am Ende war Kaufmann mit sechs Treffern, meist mit Wucht aus dem Sprungwurf erzielt, der beste deutsche Schütze.

Die Deutschen ließen sich von der Kulisse nicht beeindrucken. Doch sie konnten sich einfach nicht von den kampfstarken Mazedoniern absetzen, obwohl die in Kiril Lazarov, Spielmacher Naumche Mojsovski und Kreisläufer Stojanche Stoilov nur drei torgefährliche Angreifer hatten. Beim 6:7 geriet das DHB-Team erstmals in Rückstand. Als die isländische Referees kurz darauf zwei Zeitstrafen gegen die Südeuropäer aussprachen, stand die Partie kurz vor dem Abbruch: Feuerzeuge und andere Gegenstände flogen auf das Spielfeld, eines traf einen Schiedsrichter.

Nach dem 12:12-Halbzeitstand begann der Gegner, die Deutschen zu provozieren. Als Rückraumstar Lazarov gegen den eingewechselten Heinevetter einen Strafwurf zum 15:15 einnetzte, verhöhnte er den deutschen Torwart. Nun schien es, als verlören die Deutschen doch die Nerven, nach zwei üblen technischen Fehlern von Adrian Pfahl und Kaufmann lagen sie plötzlich mit 15:17 zurück. Die Halle kochte, aber Christoph Theuerkauf und Kaufmann konterten umgehend. „Da haben wir uns aber wieder beruhigt, das war ein Fortschritt“, sagte Heuberger.

Dann der große Aufritt eines Mannes, der bislang nur auf der Bank gesessen hatte: Patrick Wiencek. Der Kreisläufer kam in den letzten zehn Minuten aufs Feld. Den ersten Pass verwandelte der EM-Neuling, kalt bis ans Herz, zum 21:21, und kurz darauf nahm er geistesgegenwärtig einen Abpraller auf und netzte ein zum 23:23. „Einfach rein das Ding, mehr habe ich nicht gedacht“, sagte der 22-Jährige. Linksaußen Uwe Gensheimer verwertete dann eine Minute vor Ende einen Ball aus spitzem Winkel. Nach Spielende lagen sich die Spieler in den Armen, als wären sie Europameister geworden.

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