zum Hauptinhalt
Sehnsucht nach mehr. Javairo Dilrosun hofft gegen den SC Paderborn auf seinen ersten Startelfeinsatz seit November.

© Imago / DeFodi

Der Holländer drängt in die Startelf: Javairo Dilrosun ist gerne Außenseiter

Hertha BSC braucht nach dem verpatzten Saisonstart Impulse von außen. Javairo Dilrosun bringt das mit, was die Mannschaft gegen den SC Paderborn jetzt benötigt.

Als Javairo Dilrosun dort angekommen war, wo fast jeder Fußballer hin will, auf der Zehn, der Position des Spielmachers, da hat er seine Tränen nicht zurückhalten können. Es waren allerdings keine Tränen der Freude oder des Glücks, es waren eher Tränen der Verbitterung.

Die dazugehörige Geschichte, die der holländische Nationalspieler dem Magazin „Elf Voetbal“ aus seiner Heimat erzählt hat, liegt schon etwas zurück. Dilrosun spielte in der Jugend von Ajax Amsterdam, und das Trikot mit der 10 bekam er ausgerechnet in einem Duell mit einem Klub aus seinem Stadtteil. Viele Freunde und Verwandte standen an der Seitenlinie, und Dilrosun war natürlich ganz besonders motiviert, sein Bestes zu zeigen. Aber auf der Zehn? Dilrosun wollte lieber außen spielen. So wie immer. In der Pause kamen ihm die Tränen, und er fragte seinen Trainer, ob er nicht auf den Flügel wechseln dürfe. Durfte er, „und da ging es gleich viel besser“.

Es ist gut möglich, dass dem überzeugten Außenbahnspieler Javairo Dilrosun an diesem Samstag erneut das schlimme Schicksal droht, auf der Zehnerposition spielen zu müssen. Wenn Hertha BSC den SC Paderborn empfängt, ist das für Trainer Ante Covic eine durchaus realistische Option. „Jav hat in der Vorbereitung gezeigt, dass er das kann“, sagt er.

Einen Vorgeschmack bekam der 21 Jahre alte Holländer bereits am vergangenen Wochenende, als er im Spiel gegen Mainz 05 zehn Minuten vor Schluss eingewechselt wurde. Covic reagierte auf die Systemumstellung der Mainzer, löste seine Dreierkette auf und formierte das Mittelfeld zu einer Raute – mit Dilrosun auf der zentralen offensiven Position hinter den Spitzen. Der Plan sei aufgegangen, sagte Covic am Tag nach dem Spiel, „weil Javairo das 1:1 vorbereitet, weil er von der Zehnerposition in die Tiefe startet und für den Gegner nicht greifbar ist“.

Arne Maier ist noch keine Option

Erst vier Spiele ist die Saison bisher alt, aber Herthas Trainer hat in diesen vier Spielen sowohl taktisch als auch personell schon einiges ausprobiert. Vielleicht täte der Mannschaft, die durch die 1:2-Niederlage in Mainz auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht ist, ein bisschen Konstanz ganz gut, damit sie Halt findet und Sicherheit. Andererseits drängen über kurz oder lang vermutlich noch mindestens zwei Spieler in die Startelf, die bisher noch keine oder keine allzu große Rolle gespielt haben. Arne Maier steht nach seinen Patellasehnenproblemen gegen Paderborn zwar noch nicht zur Verfügung; in absehbarer Zeit aber wird der Mittelfeldspieler ins Team zurückkehren. Am Mittwoch soll er über 90 Minuten im sogenannten Premier League International Cup gegen Benfica Lissabon zum Einsatz kommen und in einer Auswahl von U-19- und U-23-Spielern die nötige Spielpraxis sammeln. Javairo Dilrosun, der zu Saisonbeginn ebenfalls wegen einer Verletzung pausieren musste, ist bereits einen Schritt weiter. In Schalke und Mainz wurde er zumindest schon wieder eingewechselt. „Er wartet sehnsüchtig auf mehr Minuten“, sagt Covic. Und, ja: „Er ist eine Alternative für das Spiel gegen Paderborn.“

Vor ziemlich genau einem Jahr war Dilrosun auf der Höhe seines bisherigen Schaffens. Hertha hatte ihn ein paar Wochen zuvor für nicht mehr als eine Ausbildungsentschädigung aus der zweiten Mannschaft von Manchester City verpflichtet. Viel erwartet wurde erst einmal nicht von ihm, doch dann startete der unbekannte Neue gleich richtig durch und entzückte das Publikum mit Tricks und Tempo. In seinen ersten vier Einsätzen für Hertha schoss er zwei Tore, drei bereitete er vor – und kurz darauf debütierte er sogar für Hollands Nationalmannschaft. Es war sowohl der Höhepunkt als auch das vorläufe Ende einer bemerkenswerten Entwicklung: Dilrosun verletzte sich bei seinem ersten Länderspiel und fiel für mehrere Monate aus.

In den 27 Ligaspielen seitdem stand er nur noch neun Mal auf dem Platz, davon kein einziges Mal in der Startelf. „Er bringt viele Voraussetzungen mit, um ein sehr guter Spieler zu werden“, sagt Ante Covic. „Wichtig ist aber, dass der Junge gesund bleibt und seinem Körper vertraut. Das macht er im Moment.“

Viele Kandidaten, keine Idealbesetzung

Für die offensiven Außenbahnen links und rechts mangelt es Herthas Trainer ganz sicher nicht an Optionen; aber die ideale Besetzung hat er bisher noch nicht gefunden. Javairo Dilrosun könnte die Lösung sein. Von allen potenziellen Anwärtern vereint keiner Technik und Tempo so wie er. Mit seinen Fähigkeiten kann er Situationen auflösen, die eigentlich unauflöslich scheinen. So wie vorige Woche in Mainz, als er zwei Gegenspieler auf sich zog, eigentlich schon gestellt war und den Ball trotzdem noch aus dem Stand so präzise zu Marko Grujic flankte, dass der zum zwischenzeitlichen 1:1 einköpfen konnte.

Ob und wo Dilrosun gegen Paderborn spielen wird, hängt wohl auch davon ab, für welches System sich Ante Covic entscheidet. Bleibt er beim 3-5-2, mit dem er in Mainz angefangen hat, ist Dilrosun eher nicht erste Wahl, weil er dann die komplette Seite, offensiv wie defensiv, bearbeiten müsste. In einem 4-4-2, 4-2-3-1 oder 4-3-3 sähe das schon anders aus. „Wenn du ausgemacht hast, dass der Gegner auf der Seite etwas schwächer ist, benötigst du zwei Spieler auf dem Flügel, damit du besser durchbohren kannst“, sagt Covic. Javairo Dilrosun hat schon gezeigt, dass er über eine außergewöhnliche Bohrkraft verfügt. Aber notfalls könnte er auch als Zehner aushelfen. Heulen würde er ganz sicher nicht mehr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false