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Sport: Der lange Lauf nach Salt Lake City

Knapp vier Wochen vergehen noch, dann beginnen für viele Wintersportler die wichtigsten Wettkämpfe ihrer Karriere: die Olympischen Spiele von Salt Lake City. Vor dem Rennen um das olympische Gold, das am 8.

Knapp vier Wochen vergehen noch, dann beginnen für viele Wintersportler die wichtigsten Wettkämpfe ihrer Karriere: die Olympischen Spiele von Salt Lake City. Vor dem Rennen um das olympische Gold, das am 8. Februar startet, testen die Sportler noch einmal ihr Sportgerät und ihre Form beim Weltcup oder anderen Wettbewerben. Im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz schnitten die deutschen Sportler am Wochenende gut ab. Besonders in der alpinen Skiloipe, auf der Skisprungschanze und im Eiskanal der Bobfahrer und Rodler stehen die Chancen auf Gold gut.

Sven Hannawald springt und schießt

Der Held der Vierschanzen-Tournee gab sich die Ehre - und der kleine Ort Willingen im Sauerland empfing ihn wie einen König. 40 000 Ski-Fans bereiteten Sven Hannawald einen triumphalen Empfang und versetzten die 3706 Einwohner zählende Gemeinde in den Ausnahmezustand. "Vor so vielen Zuschauern gewinnen zu können, ist sensationell", gestand der Hinterzartener nach seinem Rekord-Sieg im Einzel-Weltcup. Hannawald war am Samstag auf Weiten von 141,5 sowie 148 Meter gekommen und hatte dafür 319,1 Zähler erhalten - die höchste auf einer Großschanze jemals erzielte Punktzahl. Auch beim Mannschafts-Wettbewerb am Sonntag sprang Hannawald mit 148,5 und 141,5 Metern am weitesten. Deutschland kam mit ihm, Martin Schmitt, Christof Duffner und Stephan Hocke auf Platz drei hinter Österreich und Finnland. Zur größten deutschen Ski-Party hatten sich die ersten Zuschauer bereits in den Nachtstunden an der Mühlenkopfschanze eingefunden. Die meisten waren weiblich, jung und ledig. Denn wie im Vorjahr Martin Schmitt - der inzwischen nur noch hinterherfliegt - hat Hannawald viele Mädchen-Herzen erobert. Der Fernsehsender RTL sucht bereits öffentlich eine Freundin für den Single. Und für die männlichen Zuschauer versuchte sich Hannawald im ZDF-Sportstudio beim Schießen auf die Torwand. Gleich der erste Schuss war ein Treffer.

Hilde Gerg kann auch kombinieren

Ginge es nach Hilde Gerg, könnten die Olympischen Winterspiele morgen beginnen. Denn die Lenggrieserin hat sich mit einem Doppelsieg bei den alpinen Weltcup-Abfahrten im österreichischen Saalbach-Hinterglemm in die Favoritenrolle für Olympia-Gold gefahren. Zwei Jahre nach ihrem Beinbruch ist Gerg in der Form ihres Lebens. "Es ist ein Traum", sagte die Slalom-Olympiasiegerin von 1998 nach ihren Triumphfahrten am Zwölferkogel. Nach den Erfolgen in der Abfahrt startete die 26-Jährige am Sonntag auch erstmals im Slalom, um in der Kombinationswertung zu punkten. Mit Platz vier in der Addition beider Rennen war sie beim Sieg der Österreicherin Renate Götschl auch hier beste Deutsche. Während Hilde Gerg derzeit Lockerheit und Lebensfreude versprüht, findet Martina Ertl nicht aus ihrem Leistungstief heraus. Die 28-Jährige schied im Slalom aus. Immerhin endete für Regina Häusl in Saalbach eine lange Leidenszeit. Die Abfahrts-Weltcupsiegerin von 2000 schaffte mit dem achten Platz in der Abfahrt die Qualifikation für Olympia. "Es geht aufwärts", jubelte sie. Ein Gefühl, das Hilde Gerg gut kennt. Sie sagt: "Ich bin durch meine Verletzung stärker geworden." Hilde Gerg, einst als "Wilde Hilde" verspottet, hat dazu gelernt - menschlich und sportlich.

Anni Friesinger siegt immer

Deutschlands Eisschnelllauf-Star Anni Friesinger fliegt als große Gold-Favoritin nach Salt Lake City. Bei der Generalprobe im holländischen Heerenveen stürmte die Inzellerin über 1500 und 3000 Meter zu ihren Weltcup-Siegen Nummer neun und zehn in dieser Saison und machte damit die Gesamtsiege in beiden Disziplinen perfekt. Über beide Strecken ist Friesinger bislang ungeschlagen. "Jetzt brauche ich erst mal eine Auszeit", meinte die stets lockere Welt- und Europameisterin nach dem 15. Weltcup-Sieg ihrer Karriere. Erfolgsserien wie die von Friesinger gelangen in der Vergangenheit nur Gunda Niemann-Stirnemann. Die Eisschnellläuferin des Jahrhunderts, in Heerenveen als Fernseh-Kommentatorin im Einsatz, musste dann auch zugeben: "Die Deutlichkeit von Annis Siegen ist imponierend." Und das umso mehr, weil die gesamte internationale Konkurrenz beim Traditionsrennen in Holland angetreten war - abgesehen von der Berlinerin Claudia Pechstein, die wegen einer Erkältung absagte. Auch andere Deutsche zeigten ansteigende Form: Der Dresdner Jens Boden schaffte über 5000 Meter als Zwölfter die Olympia-Norm. Weltrekordlerin Sabine Völker aus Erfurt belegte über 1000 Meter den dritten Platz. Und die Berliner Sprintweltmeisterin Monique Garbrecht-Enfeldt wurde nach zuletzt enttäuschenden Leistungen Vierte über 500 Meter. Am Sonntag verzichtete sie auf die 1000 Meter, um sich zu schonen. Auch das richtige Dosieren von Wettkämpfen gehört zur richtigen Olympia-Vorbereitung.

Bremsfehler auf der Bobbahn

Auch die deutschen Bob-Piloten sind trotz kleinerer Pannen schon in glänzender Form. Doppel-Weltmeister Christoph Langen aus Unterhaching unterstrich mit dem Sieg im Zweier-Weltcup in St. Moritz seine Ambitionen auf Gold. André Lange war im Vierer-Rennen dem amerikanischen Favoriten Todd Hays ganz dicht auf den Fersen. Ein letztes Mal vor Olympia stellte sich der Weltcup-Führende Hays der europäischen Konkurrenz. Mit Platz drei im Zweier und dem Sieg in der Königsklasse verteidigte der Shooting-Star des Bobsports die Gesamtführung in beiden Disziplinen. Ein Sieg gelang Doppel-Weltmeister Christoph Langen auf seiner Lieblingsbahn nur im Zweier mit seinem Anschieber Marco Jakobs. Im Vierer hatte Langen auf der zunehmend schneller werdenden Bahn mit der Startnummer eins schlechte Karten und kam über Rang vier nicht hinaus. Hays hatte gepokert und sich sowohl im Zweier als auch im Vierer weiter hinten auslosen lassen. Vom Pech verfolgt war auf der Naturbahn René Spies. Dem Winterberger Pilot passierte im Zweier-Rennen ein Brems-Malheur. Der Schlitten schoss aus voller Fahrt über den Auslauf hinaus. Spies ruinierte sich dabei einen kompletten Kufensatz und wurde Fünfter. Schlimmeres passierte zum Glück nicht.

Rodler bejodeln ihren Sieg

Es klag wie ein Erlösungsschrei. Mit einem Alpenjodler freute sich Alexander Resch bei der Siegerehrung der Rodel-Europameisterschaften in Altenberg über sich selbst. Mit seinem Doppelpartner Patric Leitner hatte der Berchtesgadener am Samstag endgültig zurück in die Erfolgsspur gefunden. "Den Titel kann uns keiner mehr nehmen. Wir sind jetzt einfach nur glücklich", meinte Leitner. Am Sonntag verhinderte der Österreicher Markus Prock in Altenberg den totalen deutschen Triumph. Der zweimalige Weltmeister gewann den Einsitzer-Wettbewerb bei den Herren vor dem Oberwiesenthaler Denis Geppert. Olympiasieger Georg Hackl wurde lediglich Vierter. Zuvor hatten in Altenberg bereits Weltmeisterin Sylke Otto aus Oberwiesenthal und das deutsche Team EM-Gold gewonnen. Wenn das kein Grund zum Jodeln ist.

Kein Spaß für Susi Erdmann

Bob-Pilotin Susi Erdmann macht positive Schlagzeilen. Doch trotz ihrer Titelverteidigung bei den deutschen Bob-Meisterschaften am Sonntag in Winterberg und des ohrenbetäubenden Jubels ihres Fanklubs blickte Susi Erdmann nicht besonders glücklich drein. "Die Startzeiten waren indiskutabel", analysierte die Pilotin im Hinblick auf Olympia nüchtern. Ihre Anschieberin Annegret Dietrich erlebte nach ihrem Bob-Debüt im Oktober ihre ersten Titelkämpfe und konnte sich den Einbruch auf den ersten 50 Metern auch nicht erklären. "Ich kriege den Schlitten einfach nicht richtig weg", sagte die Sprinterin. Favoritin auf das oberste Treppchen war eigentlich Sandra Prokoff, die gemeinsam mit Susi Erdmann bei Olympia an den Start gehen wird. Die Lokalmatadorin verlor im unteren Teil der Bahn aber das entscheidende Hundertstel und wurde Dritte. Am Ende wirkte sie trotzdem glücklicher als Erdmann. "Ich weiß ja, woran es lag", sagte Prokoff und versprach Besserung.

Biathleten zeigen Nerven

Die deutschen Skijäger hielten dem nervlichen Druck beim Heimspiel in Oberhof nicht stand. Ein vierter Platz von Sprint- Weltmeisterin Kati Wilhelm aus Zella-Mehlis und ein fünfter Rang des Ruhpoldingers Ricco Groß waren die besten Ergebnisse beim Biathlon-Weltcup in Oberhof. Die Siege in den attraktiven Massenstart-Rennen gingen an die Ukrainerin Olena Zubrilowa und den französischen Weltmeister Raphael Poirée. Am Samstag hatten die französischen Herren über 15 Kilometer die besten Karten und landeten einen Doppel-Erfolg durch Raphael Poirée und Vincent Defrasne. "Ich bin nur mit Einzelleistungen zufrieden. Heute haben wieder einige dem Druck in Oberhof nicht standgehalten", bilanzierte Frauen-Bundestrainer Uwe Müßiggang. Das traf vor allem auf Martina Glagow - beim letzten Schießen machte sie zwei Fehler - und auf Uschi Disl zu, die anfangs vorn mitmischte und dann fünf der 20 Scheiben verfehlte. Bei den Männern das gleiche Bild: Immer wieder gab es Schießfehler, selbst Routinier Frank Luck kam mit seinem Gewehr nicht klar. Herrentrainer Frank Ullrich fand dafür eine seltsame Erklärung: "Durch die fantastischen Zuschauer lassen sich einige verleiten und überziehen." Zu den Rennen in Oberhof kamen insgesamt 52 000 Zuschauer. Sie feierten die deutschen Biathleten trotz der mageren Ergebnisse.

Langlauf zur Weltspitze

Die deutschen Skilangläufer waren beim letzten Olympia-Test nur Randfiguren. Obwohl ein Großteil der Weltspitze den Weltcup im tschechischen Nove Mesto ausließ, sorgten aus der deutschen Mannschaft nur Anke Reschwamm und Claudia Künzel mit Platz vier in der Sprintstaffel für ein gutes Resultat. Bundestrainer Jochen Behle, dessen Team sich im Vorfeld durch Stürze und Krankheiten selbst dezimiert hatte, war enttäuscht. "So ein Mist", rief Behle, "hier hätten wir viele Weltcup-Punkte sammeln können." Doch ohne die besten Läufer lässt sich schwer gewinnen. Tobias Angerer aus Vachendorf hatte beispielsweise nach dem Verzehr eines verdorbenen Hähnchens einen Tag lang flach gelegen. "Mir fehlte am Ende des Rennens einfach die Kraft", sagte Angerer nach dem 10-km-Freistil-Rennen, das er nur auf dem 13. Rang beendete. Nicht besser erging es dem deutschen Vorzeige-Kombinierer Ronny Ackermann beim Weltcup in Ramsau. Der Oberhofer musste seine Weltcup-Führung kampflos abgeben. Wegen einer Erkältung hatte der 24-jährige Thüringer am Sonntag auf den Start in der Steiermark verzichtet.

Abfahrer ganz hinten

Die deutschen Abfahrer kommen nicht in Fahrt. "Eigentlich sollte man sie nicht mehr im Weltcup starten lassen, aber man darf den Burschen nicht die Chance nehmen, sich für Olympia zu qualifizieren", kommentierte Cheftrainer Martin Oßwald. Beim Dreifach-Triumph der Ski-Asse aus Österreich in Wengen am Lauberhorn - es siegten Weltcup-Spitzenreiter Stephan Eberharter vor Weltmeister Hannes Trinkl und Josef Strobl - fuhren die Deutschen weit hinterher. Max Rauffer und Stefan Stankalla waren mit den Plätzen 36 und 38 erneut meilenweit von der Erfüllung der Olympia-Norm entfernt. Am Sonntag kam neben dem fehlenden Glück auch noch Pech hinzu: Ein dummer Fahrfehler kostete Alois Vogl beim Slalom in Wengen die Olympia-Qualifikation. Nachdem der 29-Jährige mit der hohen Startnummer 62 im ersten Lauf bis auf Platz zehn vorgefahren war, fädelte er im zweiten Durchgang in die Skistangen ein. "Seitdem ich mit den kurzen Ski fahre, ist mir so etwas noch nicht passiert", klagte Vogl, "es ist schlimm." Aber es passte ins traurige Bild der deutschen Alpinfahrer.

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