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Sport: Der letzte Kapitän

Im Handball wird das Amt des Spielführers samt Binde abgeschafft

Berlin - Ohne Kapitäne werden künftig alle Handballspiele ausgetragen. Die IHF, der Internationale Handball-Verband, hat das bereits vor knapp zwei Jahren beschlossen, aber erst mit Beginn der neuen Saison wird die Neuregelung wirksam. Ab dem 1. August 2005 gelten neue Richtlinien beim Deutschen Handball-Bund (DHB). Insgesamt sind 18 Regeländerungen beschlossen worden. Zum Thema Kapitän steht darin: „Die Person ,Spielführer/Kapitän’ wurde abgeschafft, da er nur eine Aufgabe hatte: die Wahl/das Losen vor Spielbeginn. Jetzt kann diese Formalie vor dem Spiel von einem Offiziellen oder einem anderen teilnahmeberechtigten Spieler wahrgenommen werden. Die Kenntlichmachung mittels ,Tape oder Armbinde’ entfällt somit.“

Was im Mannschaftssport ein Novum darstellt, hat im Handball keinesfalls zu großer Aufregung geführt. „Für mich bleibt weiter Markus Baur die erste Ansprechperson“, sagt Bundestrainer Heiner Brand, der seit dem vorigem Freitag die Nationalmannschaft in Halle (Westfalen) versammelt hat. „Zum Kennenlernen der Neuen“ möchte Brand die Zeit bis zum Samstag nutzen und sich „einen Überblick verschaffen, mit wem ich in den nächsten Monaten rechnen kann“. Für den Bundestrainer ist es „ein viel wichtigeres Thema, dass Baur nach langer Verletzungspause in Halle wieder zu uns gestoßen ist, als dass er zukünftig keine Kapitänsbinde mehr tragen soll“. Dennoch gibt Brand zu, dass er den Sinn der Regeländerung nicht versteht. „Eine Zeremonie vor jedem Spiel gehört nun mal dazu.“

Solange Baur ausgefallen war, wie bei der Weltmeisterschaft dieses Jahres in Tunesien, hatte Florian Kehrmann dieses Amt übernommen. „Das war für mich schon eine besondere Auszeichnung, aber es wird auch künftig eine Hierarchie in jedem Team geben“, sagt Kehrmann. „Ich werde aber nicht in tiefe Trauer fallen, dass es rein optisch nun anders kommt“, erklärt der 153-malige Nationalspieler vom TBV Lemgo. Ein Trost bleibt Kehrmann aber, er kann sich rühmen, der letzte Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft gewesen zu.

Peter Rauchfuß, der Schiedsrichterwart des DHB, befürwortet den Alleingang der IHF im Weltsport. 326 internationale Spiele hat er selbst geleitet, mit Rudolf Buchda bildete er zum Ende der DDR das Top-Duo weltweit. „Der Sinn, keinen Kapitän mehr im Handball zu bestimmen, beschleunigt den Ablauf vor dem Anpfiff entscheidend“, interpretiert Rauchfuß die IHF-Entscheidung. Er spricht vor allem auf eigene Erfahrungen bei Live- Übertragungen an, die nicht selten durch das Geschehen am Mittelkreis verzögert wurden. „Ehe dann alles so weit war, musste ich oft zur Eile mahnen“, sagt der 60-jährige Rauchfuß. „Und irgendwie war ja auch die Kapitänsbinde immer lästig, wenn sie verrutscht ist.“ Rauchfuß lässt auch das Argument nicht gelten, dass der Kapitän erster Ansprechpartner für den Schiedsrichter war. „Das hatte doch nie so eine Bedeutung wie im Fußball.“

Die Meinung unter den Handballern von einst und heute zur Abschaffung der Kapitäne ist ziemlich einhellig. Horst Spengler aus Hüttenberg , der das bundesdeutsche Team um Vlado Stenzel 1978 zum Weltmeistertitel geführt hat, findet es „schade, denn es muss doch einen Spieler geben, der die Interessen aller Spieler vertritt“. Spengler war damals von Stenzel zum Kapitän bestimmt worden und hatte speziell nach dem Gewinn des WM-Titels „einiges im Sinne des Teams zu tun. Ich hätte es aber besser gefunden, von der Mannschaft gewählt zu werden.“

Der Leipziger Peter Rost, der nach dem Olympiasieg in Moskau 1980 den Magdeburger Ernst Gerlach als Kapitän beerbt hatte, sieht seine Wahl heute noch als große Ehre an. „Eine Handball-Mannschaft kann doch kein Diskutierklub sein“, sagt er. „Aber es ist ja heutzutage so, dass vieles verwischt wird. Mancher Trainer möchte auch niemanden auf der Spielerseite haben, der Einfluss und damit auch Macht ausübt.“ Rost hat sich inzwischen völlig aus dem Handball zurückgezogen. Er unterstützt jetzt seinen Sohn Frank in vielen Fragen. Frank Rost war bis zuletzt Kapitän beim Fußball-Bundesligisten Schalke 04.

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