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Sport: Der liebe Riese

Klobig wirkt George Zidek, fast ein bisschen unbeholfen. Ein lieber Riese.

Klobig wirkt George Zidek, fast ein bisschen unbeholfen. Ein lieber Riese. 2,13 Meter ist der Mann lang und verfügt über einen kräftigen Körperbau. Fünf Kilo abspecken solle der neue Center von Alba Berlin, hatte Trainer Emir Mutapcic nach dessen kurzfristiger Verpflichtung Ende September gefordert. Wenn Zidek, wie am Sonnabend gegen Stadtsport Braunschweig (92:58), nach vorne sprintet, verzieht er angestrengt sein Gesicht. Der Spurt wirkt wie ein gewaltiger Kraftakt. Doch sobald der Tscheche den Ball berührt, wird aus der Anstrengung Spiel. Mit sanften Bewegungen schickt er ihn hinter der Dreipunktelinie auf die Reise - und der Ball fällt prompt in den Korb.

Dreimal bei drei Versuchen gelang Zidek dies am Sonnabend, außerdem verwandelte er fünf von sechs Zweipunktewürfen und sechs von sieben Freiwürfen. 25 Zähler und eine Trefferquote von 88 Prozent standen am Ende zu Buche. In gerade einmal 16 Minuten und 52 Sekunden Spielzeit. Es war das bisher beste Spiel des 28-Jährigen im Alba-Trikot. Nach der Suspendierung von Dejan Koturovic hatte Alba ihn zehn Tage vor Saisonstart geholt. Zidek, dessen Vertrag bei Real Madrid nicht verlängert worden war, hatte sich in Prag alleine fit zu halten versucht. Aber der Trainingsrückstand war unübersehbar. Die Integration wird auch dadurch erschwert, dass Zidek sich an immer wechselnde Nebenleute gewöhnen muss. Die Verletzung vieler Leistungsträger (Rödl, Pesic, Demirel) zwingt Mutapcic, seine Mannschaft immer wieder umzustellen. Wie beim Team insgesamt, so ging es auch bei Zidek bislang auf und ab.

"Ich bin froh, dass ich heute gut gespielt habe. Die letzten drei Spiele waren schlecht", sagte der Nationalspieler selbstkritisch. Gegen Olympiakos Piräus, in Trier und bei Efes Pilsen Istanbul machte Zidek zusammen nur sieben Punkte und holte drei Rebounds. Dabei hatte er einen ansprechenden Einstand gegeben, als er gegen den Mitteldeutschen BC auf 18 Punkte und vier Rebounds kam. In Tel Aviv war er in einem verunsicherten Team erfolgreichster Werfer (20 Punkte/6 Rebounds), auch gegen Oldenburg (13/2) und Hagen (17/9) liest sich die Statistik nicht schlecht. Dann ging fast gar nichts mehr, bis zu Zideks erstaunlichem Auftritt gegen Braunschweig.

"Er integriert sich jetzt langsam", sagt Mutapcic, "aber es fehlt ihm die Kontinuität. Dass er von außen trifft, ist gut. Aber wir brauchen einen richtigen Center." Also jemanden, der in der Defensive stärker ist, unter dem Korb dem Gegner die Bälle wegpflückt. Und genau das ist noch das Problem: Einerseits bietet Zidek Alba durch seine exzellenten Distanzwürfe (vier von vier in Tel Aviv, drei von drei gegen Braunschweig) neue Möglichkeiten. Andererseits fehlt unter dem Korb ein Typ à la Koturovic. Die Fachzeitung "Basketball" hat eine Statistik der besten Rebounder der ersten fünf Spieltage, also ohne Albas Partie gegen Braunschweig, erstellt. Der beste Alba-Spieler mit durchschnittlich 5,8 Rebounds liegt auf Rang 20. Sein Name: Derrick Phelps, Aufbauspieler, 1,92 Meter lang. In der vergangenen Saison kam Phelps in der Bundesliga auf 5,2 Rebounds. Ein gewisser Herr Koturovic lag vor ihm. Dessen Durchschnittswerte: 6,8 Rebounds in der Bundesliga, gar 8,5 in der Suproleague. Sein Nachfolger George Zidek bringt es bislang auf 3,8 (Bundesliga) bzw. 2,7 (Euroleague) im Schnitt. Allerdings kommt er bisher nur rund 15 Minuten zum Einsatz, gut zehn Minuten weniger als Koturovic.

"Ich bin groß. In der Verteidigung und beim Rebound muss ich mich verbessern" sagt Zidek. Dazu gehört auch mehr Durchsetzungsvermögen beim Spiel eins gegen eins, um Albas bisher noch nicht überzeugende Verteidigung zu stärken. Der Riese ist einfach noch zu lieb. Mutapcic setzt nun auf die Komponenten Fitness und Zeit. Zideks Einsatzzeiten sollen bald deutlich länger werden. Eines stimmt schon jetzt, neben den Distanzwürfen: die Bereitschaft zur Anpassung. Jörg Lütcke jedenfalls sagt über seinen neuen Kollegen Zidek, der schon in der NBA, in Litauen, der Türkei und Spanien spielte: "Er ist sehr offen und bemüht, das genaue Gegenteil von Herthas Alex Alves."

Helen Ruwald

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