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Matchwinner herzt Matchwinner. Jens Hegeler (rechts) überzeugte in Köln auf ungewohnter Position in der Defensive, Marcel Ndjeng traf per Freistoß zum 2:1-Endstand.

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Der Neuzugang überzeugt in ungewohnter Rolle: Jens Hegeler ist für Hertha BSC endlich wichtig

Jens Hegeler hat bei Hertha BSC ein bisschen verloren und schwerfällig gewirkt. Beim Sieg gegen den 1. FC Köln aber hat er eine Schlüsselrolle eingenommen.

Am Tag danach hatte Jens Hegeler prominente Begleitung an seiner Seite. Den Weg von der Kabine zum Trainingsplatz legte er zusammen mit John Heitinga zurück. Heitinga redete auf seinen Kollegen ein – und auf den ersten Blick sah es so aus, als weihte ein erfahrener Innenverteidiger mit mehr als 80 Länderspielen, mit Stationen in England und Spanien, einen noch unbedarften Kollegen in die Kunst des richtigen Verteidigens ein. Aber der erste Blick muss nicht immer der richtige sein.

Am Tag zuvor, beim ersten Auswärtssieg von Hertha BSC seit neun Monaten, hatte Heitinga trotz heftiger Personalsorgen in der Abwehr nur auf der Bank gesessen. Die zentrale Verteidigung bildeten John Anthony Brooks und – Jens Hegeler, ein gelernter Mittelfeldspieler. „Er hat es mehr als gut gemacht“, sagte Jos Luhukay, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten, nach dem 2:1-Erfolg beim 1. FC Köln. Hegeler zählte zu den besten Spielern der Berliner. „Er war stabil, gut im Aufbauspiel und stark in den Zweikämpfen“, fand Luhukay. Hegeler gewann 80 Prozent seiner direkten Duelle, 83 Prozent seiner Zuspiele brachte er an den Mann.

Mit dieser Bilanz erwies sich der 26-Jährige als Schlüsselfigur für Luhukays Matchplan. „Bevor man offensiv etwas bewerkstelligt, muss man defensive Stabilität haben“, sagte Herthas Trainer. Gegen den Aufsteiger ließen die Berliner kaum etwas zu. Drei gefährliche Situationen registrierte Luhukay in 90 Minuten, und es war kein Zufall, dass die Kölner zwischenzeitlich zum Ausgleich kamen, als Jens Hegeler zum ersten Mal seinen Posten verlassen hatte und weit vorne in der gegnerischen Hälfte zu finden war.

Und trotzdem: Auf die Idee, den Mittelfeldspieler in die Viererkette zurückzuziehen, musste man erst einmal kommen. Zumal Hegeler seit seinem Wechsel nach Berlin auch auf seiner angestammten Position noch nicht überzeugt hatte. Bei seinen Auftritten wirkte er schwerfällig und etwas verloren– was wohl auch eine Spätfolge seiner Verletzung aus dem Frühjahr ist. „Jens ist in den letzten Wochen unglaublich gut mit der Kritik umgegangen“, sagte Luhukay. „Ich bin stolz auf ihn.“

In Köln, seiner Heimatstadt, stand Hegeler erst zum dritten Mal überhaupt in Herthas Startelf und zum ersten Mal seit zwei Monaten. Auf der Tribüne saßen Freunde und Verwandte. „Das war schon eine spezielle Situation“, sagte Hegeler. „Prinzipiell bin ich eher im Mittelfeld zu Hause. Aber es hat gut gepasst.“ Und das, obwohl er auf der ungewohnten Position in seiner Profikarriere zuvor nur ein oder zwei Mal gespielt hatte. Zuletzt war dies vor fünf oder sechs Jahren der Fall, beim FC Augsburg, unter Trainer Jos Luhukay. Der Holländer hat solche Entscheidungen, die sich auf den ersten Blick nicht unbedingt erschließen, in der Vergangenheit schon häufiger getroffen; vor allem in der Hinrunde der vergangenen Saison hat er damit oft richtig gelegen. Dass dies auch jetzt wieder so war, könnte den Berlinern ein wenig Zuversicht geben nach zuletzt frustrierenden Wochen.

„Das war ein unglaublich wichtiger Sieg, der uns einen kleinen Schub geben kann“, sagte Hegeler. Marcel Ndjeng, der mit einem abgefälschten Freistoß fünf Minuten vor Schluss den Siegtreffer erzielt hatte, empfand den durchaus glücklichen Erfolg sogar als „so eine Art Befreiung“. Zuletzt hatten die Berliner in engen Partien eher das Gegenteil erlebt: dass sich das Schicksal im Zweifel eher gegen sie entschieden hat. Die Saison hatte eine Dynamik angenommen, die Hertha ernste Sorgen bereiten musste. Diese Dynamik hat die Mannschaft in Köln fürs Erste gestoppt. „Und vielleicht kommen demnächst auch wieder das Selbstverständnis und die Spielanlage hinzu“, sagte Ndjeng.

Demnächst kommen allerdings auch andere Gegner als der 1. FC Köln. Die nächsten drei heißen Bayern München, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund. „Das Restprogramm hat es in sich“, sagt Trainer Luhukay. Die gegen Köln so stabile Defensive wird schon am kommenden Samstag im Olympiastadion vermutlich ganz anders gefordert werden, wenn es Hertha mit Robert Lewandowski, Arjen Robben, Franck Ribéry, Mario Götze und Thomas Müller zu tun bekommt. Fabian Lustenberger und Sebastian Langkamp fehlen weiterhin; dass Jens Hegeler seinen Platz wieder an John Heitinga abgeben muss, ist eher nicht zu erwarten – nicht nach dem, was Jos Luhukay am Samstag über seinen Landsmann Heitinga gesagt hat: „Er hat der Mannschaft in den letzten Wochen nicht den Rückhalt gegeben und muss sich jetzt erst mal gedulden.“

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