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Die Uruguayer feiern Alcides Edgardo Ghiggia bis heute als „Maracanaço“.

© AFP

Update

"Der Papst, Frank Sinatra und ich": Uruguays Fußball-Legende Alcides Ghiggia mit 88 Jahren gestorben

Das uruguayische Fußball-Idol Alcides Ghiggia ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 88 Jahren an Herzversagen. Ewig werden sie ihn in seiner Heimat lieben, für dieses eine Tor und diesen einen Satz.

Später hat er auch noch mal für Italien gespielt, dreimal in der Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft 1958, aber wer weiß das schon?!

Alcides Ghiggia hat im Herbst seiner Karriere noch ein bisschen Geld in Mailand und Rom verdient, und dabei haben ihn die Italiener gleich eingebürgert. Aber natürlich blieb er sein ganzes Leben lang uruagayo de corazon, Uruguayer aus tiefstem Herzen, wahrscheinlich der berühmteste Bürger dieser kleinen und ungeheuer stolzen Nation am Rio de la Plata. Ewig werden sie ihn lieben für dieses eine Tor und den Satz: „Ich bin neben dem Papst und Frank Sinatra der einzige Mensch, der das Maracanã zum Schweigen gebracht hat.“

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Gestern nun ist Alcides Ghiggia mit 88 Jahren in Montevideo gestorben, auf den Tag genau 65 Jahre nach seinem berühmten Tor. Aber war er nicht längst unsterblich seit jenem 16. Juli 1950? Seit dem finalen Spiel bei der ersten Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, es war die einzige, bei der es kein Endspiel gab, sondern eine Endrunde, in der die vier besten Mannschaften gegeneinander spielten. Brasilien benötigte in diesem letzten Spiel gegen Uruguay nur noch ein Unentschieden, und entsprechend siegesgewiss war die Nation.

Ein krummer Schuss aus spitzem Winkel machte Uruguay zum Weltmeister

Die Zeitungen hatten schon Sonderausgaben gedruckt, 200 000 Zuschauer im eigens für die WM erbauten Maracanã feierten. Aber dann kam Alcides Ghiggia und brachte das Stadion zum Schweigen. Mit seinem Siegtor kurz vor Schluss zum 2:1, einem krummen Schuss aus spitzem Winkel, und machte Uruguay zum Weltmeister.

Ghiggia hat später mal erzählt, er und seine Kollegen hätten das als ein bisschen unangenehm empfunden, weil die Brasilianer doch so traurig gewesen wären, „alle haben sie geweint, nicht nur im Stadion“, sondern im ganzen Land, und das noch über Generationen hinweg. Viele Jahre später, da war er bereits ein älterer Herr, reiste Alcides Ghiggia mal als Tourist nach Brasilien. Bei der Passkontrolle schaute ihm die Beamtin in die Augen und fragte: „Sind Sie etwa der Ghiggia von 1950?“ - „Ja, gutes Kind, aber das ist doch schon so lange her!“ Die Frau brach in Tränen aus uns sagte: „Das glauben Sie! Wir hier leiden bis heute darunter!“

Brasilien stürzte nach der WM 1950 in tiefste Agonie. Die abergläubischen Brasilianer erfanden für das Versagen von 1950 einen eigenen Namen, er bezieht sich auf den Namen des Austragungsortes: Maracanãço. Bei dieser Gelegenheit schafften sie auch gleich ihren weiß-blauen Nationaldress ab und wechseln zum heute so populären Gelb-Blau. Der Torhüter Barbosa, der Ghiggias krummen Schuss aus spitzem Winkel passieren ließ, wurde später wie ein Staatsfeind geächtet. Dabei war er, wie kürzlich aufgetauchte Filmaufnahmen zeigen, völlig unschuldig an Uruguays Siegtor. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 hat Barbosa gesagt: „In Brasilien sieht das Gesetz 30 Jahre Haft für einen Mord vor. Es ist weit mehr als diese Zeit seit dem Finale von 1950 vergangen und ich fühle mich noch immer eingekerkert, die Menschen sehen in mir immer noch den Schuldigen für unsere Niederlage."

Und Ghiggia? Kehrte nach seinen Wanderjahren durch Italien zurück nach Uruguay und kickte noch bis ins hohe Fußballspieleralter von 42 Jahren in der Primera División. Lange Zeit war er nicht so recht zufrieden mit der Wertschätzung, die ihm die Heimat entgegenbrachte. Eine lebenslange Rente für seine Verdienste um die Nation hatte er sich erhofft, aber da kam nie etwas. Spät erst widmeten ihm die Landsleute eine Briefmarke und einen Stern auf dem Paseo Cultural, einem Walk of Fame in der Altstadt von Montevideo. Dazu adaptierte ihn die Nationalmannschaft als lebendes Maskottchen.

Auf Einladung der Nationalmannschaft flog Ghiggia zur Weltmeisterschaft 2010 nach Südafrika, vier Jahre später hätte er Uruguays Rückkehr zur zweiten Weltmeisterschaft nach Brasilien wegen eines schweren Autounfalls beinahe verpasst. Es wurde nichts aus einer Wiederholung des Triumphes. Luis Suárez, der vermeintlich neue Ghiggia, produzierte Schlagzeilen, auf die sie in Uruguay ganz gern verzichtet hätten.

Alcides Ghiggia war der letzte Überlebende der Weltmeistermannschaft von 1950. Roque Maspoli, Obdulio Varela, Juan Schiaffino… früher haben sie sich immer am Finaltag am 16. Juli gemeinsam in Montevideo zum Essen getroffen. Worüber sie so gesprochen haben? „Über das Leben und die Familie“, hat Ghiggia einmal erzählt, „aber nie über Fußball.“

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