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Sport: Der Patron denkt nicht ans Hinschmeißen

DÜSSELDORF .Irgendwann an diesem langen Abend in einem Düsseldorfer Hotel sagt Boris Becker die Sätze, die alles auf den Punkt bringen: "Ich war immer ein Kämpfer.

DÜSSELDORF .Irgendwann an diesem langen Abend in einem Düsseldorfer Hotel sagt Boris Becker die Sätze, die alles auf den Punkt bringen: "Ich war immer ein Kämpfer.Bei mir lief es nie leicht im Leben." Und so sehr sich Becker auch über alte Funktionärs-Kameraden, vorlaute Tennis-Eltern oder widerspenstige Nachwuchskräfte ärgert, empfindet er dieses strategische Spiel um Macht und Einfluß auch als Herausforderung, als "Centre-Court-Duell mit anderen Mitteln".Als Teamchef zurückzutreten, "einfach alles so hinzuschmeißen", das kommt dem geborenen Fighter nicht in den Sinn.Fehlalarm."Das paßt nicht zu Boris Becker", sagt Boris Becker.Also macht er weiter.Mit Spaß und dem befriedigenden Gefühl, "schon einiges im deutschen Tennis bewegt und gestaltet zu haben".Becker will nicht weichen aus einer Szene, in der er sich wohl fühlt und in der er seine Mission noch nicht vollendet hat: "Vom Matchball sind wir weit entfernt."

Die Gefahr, daß Becker und seine Mitstreiter Carl-Uwe Steeb und Stefan Schaffelhuber den ungeordneten Rückzug antreten, ist gering geworden, aber auch nicht ganz aus dieser Welt.Das Vertrauensvotum des DTB-Präsidiums letzte Woche in Berlin hat Becker ebenso wie den Rüffel für den aufmüpfigen Sportwart Dirk Hordorff mit Befriedigung zur Kenntnis genommen.Ein zweiter Konflikt schwelt unter der Oberfläche.Auch der hat mit Hordorff zu tun.Der DTB-Vizepräsident könnte nach dem Buchstabengehalt der Statuten die gesamte "Becker-Innung" an der kurzen Leine laufen lassen und als Sportwart sogar das Davis-Cup-Team aufstellen - wenn er wollte.

"Das ist etwas, was uns natürlich sehr interessiert", sagt Becker und grinst in die Runde.Die Frage lautet: Übt Hordorff diese Richtlinienkompetenz aus, mit Unterstützung gewisser Funktionärszirkel? Oder hält er sich, wie seine Vorgänger, aus dem Profisport heraus und deckt statt dessen die Aktivitäten von Becker, Steeb und Co.? "In allernächster Zeit muß eine Grundsatzentscheidung fallen", sagt Becker, "und die lautet: Will man uns absoluten Rückhalt geben oder nicht." Wenn die sportliche Entscheidungsfähigkeit in Gefahr sei, könne man nicht weitermachen, dann müsse man "einen Schlußstrich ziehen".Daran glaubt er nicht: "Man wird mir kein Bein stellen."

Daß er sich seine Handlungsfreiheit beinahe Tag für Tag erkämpfen muß, wundert Becker: "Ich hatte nicht mit so vielen Schwierigkeiten am grünen Tisch gerechnet", sagt er, "ich glaubte, ich gehe einfach auf den Platz und bilde Talente aus." Das Grundmißtrauen der alten Verbands-Mafia, die Klüngelwirtschaft, hat Becker unterschätzt.Er und Steeb sind freischwebende Künstler mit großem Namen, aber ohne Hausmacht geblieben.Mit dem geschiedenen Präsidenten Claus Stauder ist ihr großer Fürsprecher verschwunden.Deshalb sagt Becker emotionslos: "Wir sitzen zwar alle in einem Boot.Aber es gibt Leute, die in ganz andere Richtungen rudern." Nun muß Becker Hinterzimmer-Diplomatie betreiben und Eitelkeiten von Landes- und Regionalfürsten befriedigen.Vergeudete Zeit, aber: "Das gehört zu diesem Kampf."

Becker kann das alles verschmerzen, weil er weiter ein großes Ziel vor Augen hat."Deutschland soll eine große Tennis-Nation bleiben", sagt der 31jährige, der im Sommer auf dem Stuttgarter Weissenhof seine Karriere beendet.Becker nimmt es auch hin, daß immer öfter der Name Michael Stich in der Öffentlichkeit auftaucht - lanciert sogar vom Präsidenten Karl Weber.Er könne sich nicht vorstellen, daß der Michael etwas anderes wolle, als Teamchef oder Kapitän zu sein, meint Becker, "aber diese Positionen sind nun mal besetzt".Becker ist auch zu Ohren gekommen: "Die Familie Haas will ihn wohl als Trainer haben."

Die lieben Tennis-Familien.Da ist Becker bei seinem Lieblingsthema.Denn im Chor der Meinungen kommen die schiefsten Töne häufig von den Eltern."Diesen klassischen Typ der Tennis-Eltern, den gibt es nur bei uns", sagt Becker.So hält der alte Meister es für "geradezu bewundernswert", wie unbeeindruckt sein Erbfolger Thomas Haas vom Umfeld bleibt.Der sei "ein Glücksfall für das deutsche Tennis", sagt Becker und spricht von der gleichen Qualität, alles Negative auszublenden, wie damals bei Steffi Graf.Mit so einer Nervenstärke, weiß Becker, "kannst du Grand Slams gewinnen".

Auch daß Deutschland beim World Team Cup noch seinen Titel verteidigen kann, ist dieser lässigen Kühle von Haas und dessen Doppelpartner Prinosil zu verdanken.Nach Beckers Doppel-Absage hatte Haas sich mit guten Worten überzeugen lassen.Dann gewannen Haas/Prinosil sensationell gegen die Schweden Jonas Bjorkmann und Nicklas Kulti.Für Becker, der in den Katakomben des Klubs am Fernseher saß, war es einer jener Momente, in denen er dachte: "Solange es so schön vorangeht, lohnt sich das ganze Kämpfen." Also bleibt der Patron im Spiel.Mindestens bis zum Jahr 2002.Er sagt, das habe noch einen ganz anderen Grund: "Meine Frau ist ganz froh, wenn ich ab und zu aus dem Haus gehe."

JÖRG ALLMEROTH

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