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Sport: Der Polizist in meinem Block

Stadionverbote, Knüppel und Kontrollen: Warum so viele Fans unzufrieden sind mit den Sicherheitskräften

Auf dem alten, muffigen Fernbahnsteig in Charlottenburg wird es an diesem Freitagabend ziemlich laut. Um 19.15 Uhr kommt der Sonderzug mit den Fans von Energie Cottbus an. Sie werden rufen: „Hurra, Hurra, die Cottbuser sind da!“, wie immer. Und wenn sie der Zug ausgespuckt hat, dann beginnt ein zähes Machtspielchen – zwischen ihnen und der Polizei.

Die Spielregeln sind simpel: Die Fans werden Polizisten sehen, die Helme tragen, Kinnschutz und Knüppel. Die Fans werden in Kameras schauen und sich nur im Kessel bewegen dürfen, eingekeilt zwischen Polizisten. Sie sollen zum Olympiastadion, nicht in die Pizzeria oder in die Kneipe – und zwar so schnell wie möglich. Um 20.30 Uhr ist Anpfiff.

Es gibt nicht wenige Fans, die dieses allwöchentliche Sicherheitsprozedere stört, weil nicht immer klar ist, warum eigentlich alle Fans behandelt werden müssen, als würden sie bei der nächstbesten Gelegenheit einen Tankstellen-Pächter um seine kalten Bierkisten erleichtern.

„Du kommst dir manchmal vor wie so ein Mensch zweiter Klasse“, hat ein Fan aus Hamburg nach einem Fußballspiel in Stuttgart geschimpft. „Du darfst nicht pinkeln, nicht zum Kiosk, du wirst behandelt wie … wie Vieh.“ Als der Fan, 28, kurz ins Gebüsch wollte, drohte ein junger Polizist prompt mit seinem Gummiknüppel.

Das sind so Situationen, in denen sich auch friedliche Fans mächtig über die Polizei ärgern und von „Sippenhaft“ sprechen. Deshalb ist eine Bewegung im Gange, die in der Öffentlichkeit wenig Beachtung findet, aber sich in den Kurven des Landes herumgesprochen hat. An jedem Wochenende hängen Plakate in den Stadien. „Getrennt bei den Farben – vereint in der Sache“, lautet das Motto.

Die Dachorganisation „profans“, hervorgegangen aus der Initiative „Pro 15:30“, hat einen „Acht-Punkte-Plan“ erstellt. Sie will es nicht einfach hinnehmen, dass es bei Auswärtsspielen fast zur Tradition geworden ist, von der Polizei „in einem Kessel gefangen gehalten zu werden“. Und sie will nicht akzeptieren, dass Stadionverbote ausgesprochen werden, wenn allein die Anklage dafür reicht – und keine Anhörung. Wie aus den Jahresberichten der Hooligan-Fahnder hervorgeht, lag die Zahl der Stadionverbote im Jahr 2003 bei 1700 – heute sind es schon mehr als 2200. Dabei sagen alle Beteiligten, dass es in den ersten drei Ligen seit Jahren kaum noch zu Randale kommt.

„Das ausgeprägtestes Feindbild liefert die Polizei, der man Willkürhandlungen und überzogene Repression vorhält“, hat Fanforscher Gunter A. Pilz, Professor an der Universität Hannover, am Wochenende in einem Beitrag für den Tagesspiegel geschrieben. Pilz hat mit anderen Forschern auch eine Umfrage unter tausenden Fans durchgeführt. Und die Polizei erhält in dieser 608 Seiten starken Studie („Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußballs“), herausgegeben vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft, die Note „mangelhaft“. Die Ultras fühlen sich von der Polizei provoziert, bei Auswärtsspielen von oben herab behandelt.

Natürlich gibt es Fans, auf die Polizisten ein Auge werfen müssen. Allerdings wundern sich nicht nur Sozialpädagogen, wenn Buskolonnen – wie vor zwei Jahren in Saarbrücken – von der Autobahn gelenkt werden und sich junge Frauen vor Polizistinnen nackt ausziehen müssen, damit diese ganz sicher gehen können, dass das Mädchen nicht doch verbotene Gegenstände mit sich führt. Wo auch immer. Fälle wie diese landen schließlich im Buch „Die 100 schönsten Schikanen gegen Fußballfans“, das vom „Bündnis aktiver Fußballfans“ (Baff) herausgegeben wird. Ein Klassiker der Kurve. Ironisch und ernst.

Die Polizisten haben es auch nicht einfach unter einem schweren Helm, unter dem sie schwitzen, nichts hören und wenig sehen. Aber auch das müsse man Fans einmal erklären, sagen Polizisten. Und vielleicht seien auch manche Polizisten hypersensibel nach Prügeleien in unterklassigen Ligen oder bei Länderspielen. Das sind aber selten die Fans in den Profistadien.

Über die verhärteten Fronten zwischen Fans und Sicherheitskräften soll schon im Juni auf einem Kongress beim DFB gesprochen werden. Polizeiliches Handeln zu erklären, sagt der Fanforscher Pilz, sei das Wichtigste – wird aber nicht immer konsequent befolgt. Es ist einige Tage her, als Hertha im Pokal in Stuttgart spielte und ein Berliner Fanbus nach der Niederlage gestoppt wurde. Zwölf Polizeiwannen umstellten den Bus, die Fans bekamen einen Zahlencode in die Hand, den sie sich vor die Brust halten mussten. Für ein Foto in der Polizeikartei – wie in einem schrägen Ganovenfilm. Erst als die halbe Busbesatzung in der Kälte stand – es war fast 24 Uhr – , kam ein Zivilpolizist aus Berlin hinzu und erklärte ruhig, was los sei. Dass sie ein paar junge Männer suchten, die in eine Schlägerei verwickelt waren.

Immerhin, das war eine Antwort. Dass der Einsatz von der Stuttgarter Polizei allerdings so abrupt abgebrochen wurde, wie er anfing, hat dann doch so manchen irritiert. Verhaftet wurde niemand. Dafür waren die Fans durchgefroren und eine Stunde später in Berlin.

Gunter A. Pilz u. a.: „Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball“. 49,90 Euro, www.bisp.de

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