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Sport: Der Präsident rät: „Vermehrt euch!“

Von Karsten Doneck Berlin. Das Licht im Saal wurde gedämpft, Musik ertönte.

Von Karsten Doneck

Berlin. Das Licht im Saal wurde gedämpft, Musik ertönte. „Wir aus dem Osten…“, röhrte Nina Hagen vom Band. Zaghaft sangen ein paar Leute mit. Dann waren auf einer Kinoleinwand Tore zu sehen. Tore im Sekundentakt: Ristic traf, Isa auch, Fiel war dabei, selbst Nikol und Chifon brachten den Ball im Netz unter. Nur Sven Beuckert - der tauchte in dem Saison-Zusammenschnitt nicht auf. Aber Beuckert ist ja Torwart. Und die Pein, sich noch einmal über Gegentreffer ärgern zu müssen, die ersparte der 1. FC Union den 450 Anwesenden lieber. Der zehnminütige Film zur Eröffnung der Mitgliederversammlung am Donnerstagabend sollte ausschließlich positive Gefühle wecken, selbst wenn für Unbedarfte eher der Eindruck entstand, Union wäre ganz ohne Gegentor durch die erste Zweitliga-Saison gekommen.

Der Abend verlief so harmonisch, wie es der des Versammlungsortes vorzugeben scheint: Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ), gelegen in der Wuhlheide. Fast entspannt wurde selbst das größte Reizthema diskutiert: das marode Stadion an der Alten Försterei - einerseits Kultstätte bei den Fans, andererseits wegen fehlendem Komfort wirtschaftlicher Hemmschuh für die Entwicklung des Vereins. Heiner Bertram, der Präsident, erntete Jubel, als er verkündete: „Die Alte Försterei ist und bleibt die Spielstätte des 1. FC Union.“ Klar, aber wie lange noch? Bertram kündigte nach einem Gespräch mit Sportsenator Klaus Böger an, dass das Thema Alte Försterei spätestens im September, „also noch vor der Wahl“, auf Senatsebene besprochen werde, Baubeginn könne Ende der nächsten Saison sein. Bertram betonte: „Das wäre mein Wunschtraum.“ Was aber wird, wenn sich dieser Traum - der Stadionneubau soll immerhin 21 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln verschlingen - nicht erfüllt? Ein Union-Mitglied erhob die Bedeutung der Stadionfrage schon mal ins Staatspolitische, indem er über das Saalmikrofon voller Ernst fragte: „Hat sich der Bundeskanzler schon zu diesem Thema geäußert?“Armer Gerhard Schröder. Wenn der sich neben der Weltpolitik auch noch mit Unions Nöten beschäftigen müsste…

Bertram, von einem Mitglied ehrfürchtig mit „Herr Doktor Bertram“ angesprochen, hat weitere verwegene Ziele. Die Mitgliederzahl, jetzt 3375, soll binnen zwei Jahren auf 10 000 steigen. Wie das geht? Bertram rät: „Wir müssen uns vermehren.“ Manch ein Union-Fan mag sich bei dieser Aufforderung verschämt die Frage gestellt haben, ob er bei den großen Gefühlen für seinen 1. FC Union die Liebe zur eigenen Frau zuletzt nicht etwas zu sehr vernachlässigt habe.

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