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Immer mittendrin. Frank Williams gilt als geradliniger und ehrlicher Teamchef. Foto: dpa

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Sport: Der Rollstuhlgeneral

Frank Williams ist noch immer die dominante Figur in seinem Team. Am Montag wird er 70 Jahre alt.

„Der Rollstuhlgeneral“, so nennen sie ihn in der Formel 1. Seit einem Autounfall im März 1970 ist Frank Williams querschnittsgelähmt und auf fremde Hilfe angewiesen. Trotzdem ist Williams noch immer die bestimmende Figur in seinem Rennteam. Auch wenn er, der am Montag seinen 70. Geburtstag feiert, seinen Vorstandsposten am 1. April an seine Tochter Claire übergeben und sich damit offiziell aus der Teamführung zurückgezogen hat – in Wahrheit hat er immer noch die große Übersicht und in großen Fragen wohl auch im Hintergrund das entscheidende Mitspracherecht.

Schließlich hat er das Team, das mit sieben Fahrer- und neun Konstrukteurs-WM-Titeln zu den erfolgreichsten in der Formel-1-Geschichte gehört, seit Ende der 60er-Jahre mit der Ausdauer des begeisterten Langstrecken-Läufers, der er vor seinem Unfall immer war, aufgebaut. Der letzte WM-Titel liegt allerdings schon 15 Jahre zurück, Jacques Villeneuve holte ihn 1997. In der Partnerschaft mit BMW fuhr man bis 2005 noch um Siege mit - danach wurde es für das Privatteam Williams immer schwieriger, vor allem aus finanziellen Gründen.

2011 war das schlechteste Jahr der Teamgeschichte, am Ende standen nur fünf Punkte und der neunte Platz in der Konstrukteurswertung. Viele sahen Williams schon auf dem Weg in die Versenkung. Doch es kam anders: Durch Börsengang und Nebengeschäfte wie das selbst entwickelte Hybrid-Kers-System, das unter anderem an Audi verkauft wurde, ist das Team wieder auf solidere finanzielle Beine gestellt. Und nach Umorganisation und dem Wechsel in der technischen Führung von Sam Michael zu dem Ex-McLaren-Mann Mike Coughlan und zu Mark Gillan, der ebenfalls McLaren-Erfahrung mitbringt, sieht es in dieser Saison wieder wesentlich besser aus.

Den Sky-TV-Experten Marc Surer überrascht das nicht: „Dass ein Team mit so vielen guten technischen Ressourcen so schlecht ist wie letztes Jahr, das war schon außergewöhnlich. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Weggang von Sam Michael dem Team gut getan hat.“

Das diesjährige Auto ist jedenfalls konkurrenzfähig – und die junge Fahrerpaarung aus Bruno Senna und Pastor Maldonado vielversprechend, auch wenn Kritiker gerne meckerten, die seien doch nur wegen ihrer Sponsorgelder da. Sicher, Maldonado macht noch zu oft Fehler, doch sehr schnell ist der Venezolaner auf jeden Fall. Und wie Bruno Senna in Malaysia vom letzten Platz noch auf Rang sechs vorfuhr und damit acht wichtige Punkte holte, war eine Glanzleistung.

Das schönste Geburtstagsgeschenk für Frank Williams wäre es, wenn sich dieser positive Trend in Shanghai bestätigen würde. Die Voraussetzungen sind auch bei den Startplätzen 13 und 14 gegeben: „Wir wissen, dass wir im Rennen ein sehr gutes Auto haben. Die Longruns am Freitag haben gezeigt, dass wir von der Spitze nicht weit weg sind. Im Qualifying ist der Abstand noch ein bisschen größer“, sagt Bruno Senna. „Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich glaube sogar, dass wir seit dem letzten Jahr leistungsmäßig den größten Sprung nach vorne gemacht haben.“

Den Brasilianer in sein Team zu holen, dessen Onkel Ayrton 1994 in einem Williams tödlich verunglückt war, war für Frank Williams keine einfache Entscheidung. Was dabei bestimmt half: Dass intern zwischen ihm und der Senna-Familie Fakten über die Unfallursache an- und ausgesprochen wurden, die öffentlich von Williams-Seite aus verschiedenen, auch versicherungstechnischen Gründen anders dargestellt wurden. Auch das ist der Frank Williams, den viele in der Formel 1 seit langer Zeit bewundern: Ehrlich, geradlinig – in erster Linie Mensch und Racer, Politiker nur dort, wo es unbedingt nötig ist – und damit Repräsentant einer aussterbenden Spezies.

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