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Sport: Der Schirm ist das Dach

Benedikt Voigt verteidigt den Regen in Wimbledon Der Karikaturist der Zeitung „The Times“ stellt sich das Szenario so vor: Zwei Engel bedienen im Himmel die Wettermaschine. Der eine schaltet den Hebel, der es auf der Erde regnen lässt, ständig auf „Ein“, daraufhin fragt der andere: „Jetzt erzähl mal, was gefällt dir an Wimbledon nicht?

Benedikt Voigt verteidigt

den Regen in Wimbledon

Der Karikaturist der Zeitung „The Times“ stellt sich das Szenario so vor: Zwei Engel bedienen im Himmel die Wettermaschine. Der eine schaltet den Hebel, der es auf der Erde regnen lässt, ständig auf „Ein“, daraufhin fragt der andere: „Jetzt erzähl mal, was gefällt dir an Wimbledon nicht?“

Ein missgünstiger Engel, das könnte natürlich ein Grund sein dafür, dass es beim Tennisturnier in Wimbledon traditionell regnet. Am Mittwoch konnte wegen vier langer Regenschauer über dem Londoner Bezirk SW 19 kein einziges Viertelfinalspiel der Herren beendet werden. Am Donnerstag begann es pünktlich zu tröpfeln, als Serena Williams zum Halbfinale auf dem Centre Court erschien. So ist das in Wimbledon. Es regnet immer, wenn Londons GrandSlam-Turnier ansteht. Wimbledons Statistikbuch hebt jene Jahre kursiv hervor, in denen es während der zwei Wochen über der Church Road NICHT regnete. Genau zwei Mal war das in den letzten 25 Jahren der Fall. 14 Mal hingegen musste das Turnier in seiner hundertjährigen Geschichte wegen Regens verlängert werden, um es zu Ende zu spielen. 1922 dauerte es sogar bis zum Mittwoch – drei Tage länger als geplant!

Wenn weniger als eine Stunde am Tag gespielt werden kann, bekommen die Zuschauer ihr Geld zurück. Wetter-Stationen, die um die Anlage gruppiert sind, erspähen frühzeitig jede dunkle Wolke. So können die Helfer rechtzeitig auf den Platz spurten und den Rasen abdecken. Das penibel gepflegte Gras ist auch ein Grund, weshalb es noch keine bewegliches Dach wie am Hamburger Rothenbaum gibt. Zudem stammt der ehrwürdige Centre Court aus dem Jahr 1922, was einen Umbau erschweren würde. Doch 81 Jahre, nachdem das Turnier an die Church Road im Südwesten Londons gezogen ist, denken die Verantwortlichen über die Konstruktion eines Daches nach.

Das aber wäre eine tiefgreifende Veränderung, und wäre so, als würde man dem Turnier die Erdbeeren wegnehmen, die traditionell in Wimbledon wie wild gegessen und verkauft werden. Man stelle sich also vor: An jedem Tag beginnt jedes Match zur geplanten Zeit. Keine Durchsagen mehr auf der Anlage, warum der Regen auch in den nächsten Stunden nicht aufhören wird, kein stundenlanges Warten auf die Spieler, deren Spiele nach einigen Ballwechseln auf den nächsten Tag verschoben werden. Mit einem Dach wäre Wimbledon ein anderes Turnier. Die Frage ist: Will man das überhaupt?

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