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Sag’ zum Abschied laut Servus? Heiner Brand wird seine Rücktrittserklärung möglicherweise mit einer Generalkritik verbinden. Foto: dpa

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Sport: Der Schnauzbart geht

Handball-Bundestrainer Heiner Brand wird nach 396 Länderspielen am Mittwoch seinen Rücktritt erklären

Die Momente, in denen Heiner Brand bei der Handball-Weltmeisterschaft 2009 auf den slowenischen Schiedsrichter losgeht, mit erhobener Faust, weil er sich betrogen fühlt um die Halbfinalteilnahme. Die Szene, in der Brand 2007 nach dem Halbfinale gegen Frankreich, von Lars Kaufmann geschultert, von der Menge in der Kölnarena bejubelt wird. Die Rasur seines riesigen Schnauzers 2004, mit der seine Spieler den Europameistertitel in Slowenien zelebrierten: Der Trainer Brand hat viele Bilder produziert, die sich in der Erinnerung der deutschen Handball-Fans festgesetzt haben.

Nun geht diese Ära, die 1997 begann, ihrem Ende entgegen. Nach übereinstimmenden Berichten wird der 58 Jahre alte Gummersbacher am Mittwoch in der Sportschule Kaiserau das Ende seiner Trainertätigkeit beim Deutschen Handballbund (DHB) verkünden. Die EM-Qualifikationsspiele im Juni in Österreich und gegen Lettland werde Brand noch verantworten, heißt es. Dann ist Schluss, nach 396 Länderspielen als Trainer und 131 Einsätzen als Spieler.

Die Verdienste, die sich Brand erworben hat, sind enorm. Er hat ein Team, das sich nicht für die WM 1997 qualifiziert hatte, in einem Jahr zu EM-Bronze gecoacht. Und in den Jahren danach formte er mit Zielstrebigkeit, Sturheit und großem Ehrgeiz die so genannte „Goldene Generation“, die zwischen 2002 und 2004 viermal in Folge ein großes Finale erreichte, 2004 Europameister wurde und olympisches Silber gewann.

Brand konnte sehr unterschiedliche Charaktere wie Stefan Kretzschmar, Markus Baur, Daniel Stephan, Christian Schwarzer oder Henning Fritz zu einem homogenen Team formen. Dieses Team von 2004 entsprach seiner Idealvorstellung, da diese Spieler die meisten Dinge unter sich regelten. „Mannschaftssport ist auf Hierarchie angewiesen, ohne Hierarchien funktionieren Mannschaften nicht. Also brauchen wir Spieler, die Verantwortung übernehmen und auch damit umgehen können“, sagte Brand.

Die Weltmeistermannschaft von 2007 reichte schon nicht mehr an dieses Team von 2004 heran. Dennoch war der 29:24-Finalsieg gegen Polen der Höhepunkt des Brandschen Schaffens; seitdem ist er der Einzige, der als Spieler (1978) und Trainer Weltmeister wurde. Millionen Zuschauer sahen dieses Spiel am Fernseher, und die Kölnarena war ein lärmender Kessel. Selten war Handball in Deutschland so populär wie damals, und Brand war das Gesicht dieses Booms. Mit diesem Titel sah er seine Mission erfüllt, seinen geliebten Sport, der Ende der Achtzigerjahre in die Drittklassigkeit abgestürzt war, wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Seither zeigte die Kurve der Nationalmannschaft nach unten: Der elfte Platz bei der WM 2011 in Schweden war die schlechteste Platzierung einer DHB-Auswahl in der 73-jährigen WM-Geschichte. Auch das Verhältnis Brands zu seinen Spielern litt unter den schlechten Leistungen. Manch ein Profi beschwerte sich über die mangelnde Selbstkritik Brands. Etwas, das 2004 nie vorgekommen wäre. Und mancher Experte kritisierte, dass Brand einen unmodernen Handball spielen lasse.

Schon in Schweden wollte Brand aufhören, nach einer desaströsen zweiten Halbzeit gegen Olympiasieger Frankreich. Er machte weiter und ließ sich nach dem Turnier zu einer Vertragsverlängerung überreden, obwohl er seit Jahren kritisiert, dass ihm die Liga nicht genügend Qualität für den Rückraum liefere, also für jenen Bereich, in dem Spiele entschieden werden.

Über die Nachfolger Brands ist viel spekuliert worden. Derzeit diskutieren die DHB-Verantwortlichen vor allem über Martin Schwalb (HSV), Dagur Sigurdsson (Füchse Berlin) und Brands Kotrainer Martin Heuberger. Brand ist an der Entscheidung beteiligt. Er wolle DHB-Sportdirektor werden, berichten Insider, um weiter an der Zukunft des deutschen Handballs mitzuarbeiten. Daher würde es nicht überraschen, wenn Brand nicht nur seinen Rücktritt am Mittwoch verkündet. Sondern diesen Termin, bei dem es eigentlich nur um ihn geht, mit einer Generalkritik des deutschen Handballs verbindet.

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