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Sport: Der Schock von Kienbaum

Olympia-Turner Ronny Ziesmer muss nach einem Trainingsunfall bleibende Lähmungen befürchten

Es war nur ein beiläufiger Satz, den der Turntrainer Wolfgang Hambüchen vor einigen Tagen gesagt hatte. Er stand in der Turnhalle des Bundesleistungszentrums in Kienbaum, aus den Lautsprechern dröhnte „Intergalactic Planetary“ von den Beastie Boys, und neben ihm schlug der 16-jährige Fabian Hambüchen einen gehockten Salto. Wolfgang Hambüchen war nach den Chancen seines Sohnes bei den Olympischen Spielen in Athen befragt worden. „Es gibt keine operativen Ziele“, sagte der hessische Landestrainer und fügte hinzu: „Er muss erst einmal gesund dahinkommen.“

Seit Montagnachmittag hat dieser Satz einen anderen Klang. Ronny Ziesmer, ein Mannschaftskollege von Fabian Hambüchen, hat es nicht geschafft, gesund zu den Olympischen Spielen zu kommen. Schlimmer, die Frage ist, ob er überhaupt wieder gesund wird. Der 24-Jährige knallte im Training in Kienbaum nach einem Doppelsalto so unglücklich auf den Boden, dass er mit einer Lähmung beider Arme und Beine in das Unfallkrankenhaus Marzahn eingeliefert werden musste. Es besteht die Gefahr, dass die Lähmung fortbesteht. Über die Chancen auf eine vollständige Genesung sagt der Leiter des Unfallkrankenhauses, Walter Schaffartzik: „Eher nicht.“ Ziesmer musste zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel operiert werden, inzwischen ist er wieder ansprechbar. Der Turner aus Cottbus, der bereits vom Nationalen Olympischen Komitee für Athen nominiert wurde, liegt weiterhin auf der Intensivstation, muss aber nicht beatmet werden. Über die Länge der Behandlung lässt sich noch nicht viel sagen. „Es ist eher langwierig“, erklärt Schaffartzik.

Die Stimmung ist nun gedrückt in der Turnhalle zu Kienbaum. Die Turner von Bundestrainer Andreas Hirsch wollen bei den Olympischen Spielen den achten Platz erreichen. „Das ist natürlich überhaupt nicht erfreulich“, sagt Wolfgang Hambüchen, „wir hoffen, dass sich das Team von dem Schock erholt.“ Die Vorbereitung auf Athen wird weitergehen. Für Ronny Ziesmer wird womöglich Christian Berczes aus Magdeburg nachnominiert. Neben der Stimmung hat sich auch die Einstellung verändert. „Es wird jetzt noch konzentrierter als vorher geturnt“, berichtet Hambüchen.

Wie gefährlich ist das Turnen? „Das Verletzungsrisiko gehört zum Turnen wie zum Autofahren“, sagt Hambüchen. Sein Sohn habe keine Angst, auch nicht nach dem schweren Unfall des Teamkollegen. „Er ist sich ja sicher, dass er sein Pensum beherrscht.“ Der Unfall sei einfach unglücklich gewesen.

Immer noch läuft in der Turnhalle in Kienbaum laute Musik. Allerdings nicht mehr Hip Hop und Techno, „das habe ich schon vor dem Unfall nicht mehr ausgehalten“, sagt Hambüchen. Seitdem hören die Turner nur noch Radio. Die Musik nun ganz abdrehen will niemand. Hambüchen sagt: „Damit können wir dem Ronny auch nicht helfen.“

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