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Sport: Der Schönheit keine Chance

Mit eiskalter Präzision, aber ohne einen Anflug von Leidenschaft erarbeitet sich Brasilien im WM-Achtelfinale einen 3:0-Sieg über Chile

Es gibt keine Großen mehr. Lange Zeit beschäftigte sich die journalistische Rezeption des Fußballs mit der Frage, inwieweit sportlich bedeutungsarme, sprich kleine Nationen mehr und mehr zu arrivierten Teams aufschließen würden. Die Partie zwischen Brasilien und Chile hat bewiesen, dass die Frage andersherum gestellt werden muss: Die über alle Maßen große Dominanz, die frühere Auswahlmannschaften aus Brasilien dazu befähigte, mit ihren Gegnern Katz und Maus zu spielen, ist Geschichte. Die Schönheit mit der die Seleção immer wieder Maßstäbe im Weltfußball setzte, gibt es nicht mehr. Erfolgreich spielt die Mannschaft von Carlos Dunga ohne Zweifel, ein großes Team aber ist es nicht.

Vor 54 096 Zuschauern im Johannesburger Ellis Park reichte Brasilien eine Handvoll packender Momente, um die vorab für ihr erfrischendes Angriffsspiel gelobten Chilenen aus dem Wettbewerb zu bugsieren. Stellvertretend für den Spielverlauf war es auch, dass sich die Seleção zunächst über eine Standardsituation auf die Siegerstraße bringen musste, die zudem von einem Innenverteidiger verwertet wurde: Einen Eckball von Maicon köpfte Juan ins Tor. Vier Minuten später brauchte dann Luis Fabiano einen Steilpass von Kaka nur noch an Chiles Keeper Claudio Bravo vorbeizulegen und zum 2:0 einzuschieben. Nach der Halbzeitpause besorgte der wiedergenesene Robinho nach einem cleveren Pass von Ramires bereits den Endstand. Luis Fabiano gab zu: „Wir haben sehr gut gespielt, aber es gibt auch noch einiges zu tun. Wir haben eine starke Mannschaft, wir haben mit dem Ball unglaublich viel angestellt.“

Allerdings nicht immer Beeindruckendes. Der weitere Spielverlauf zeichnete sich vor allem durch eine überraschende hohe Zahl fußballerischer Defizite aus, die der Fan inzwischen wohl nicht einmal einer deutschen Nationalelf noch nachsehen würde. Die schönsten Stilblüten im Schnelldurchlauf: Luis Fabiano blieb ein Hackentrick zwischen den Beinen hängen. Ramires wurde schon in der ersten Spielminute vom ansonsten blassen Chilenen Humberto Suazo getunnelt. Ausnahmekönner Kaka fiel immer wieder mit Fehlpässen auf und machte seinem Frust mit einem Tritt gegen den Chilenen Mark Gonzalez Luft. Der ehemalige Weltfußballer kassierte dafür – nach seiner Gelb-Roten Karte gegen die Elfenbeinküste – erneut eine Verwarnung.

Brasiliens Ballstaffetten im Mittelfeld wirkten, als kickten ein paar Rentner nach Feierabend im Sand der Copacabana, aber nicht wie die Creme de la Creme des Weltfußballs in einem Achtelfinale einer Weltmeisterschaft. Ziellos passten sie sich den Ball immer wieder zu. Es war wohl Teil einer ausgeklügelten Ermüdungstaktik. Denn mit der Zielgenauigkeit einer aus dem Unterholz hervorschnellenden Schlange, kamen die Brasilianer in dieser fast mysteriös anmutenden Verkettung spielerischer Banalitäten immer wieder zu Torerfolgen.

Ein Spiel, das zumindest auf dem Papier die Statistik beider Nationen widerspiegelt. In 66 Partien in der Geschichte unterlag Chile der Seleção nunmehr 47 Mal. Das Torverhältnis beläuft sich somit auf 155:55. Und dennoch waren wohl nur wenige Duelle zwischen den beiden Kontrahenten so leidenschaftslos wie jenes gestern. Ein hoher Sieg für die Mannschaft von Brasilien, gleichwohl ein großer war es nicht. Robinho lobte sich und sein Team dennoch: „Wir sind viel besser als in der Gruppenphase. Es ist gut, dass ich diesmal auch getroffen habe. Aber wir müssen noch besser werden.“

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