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Sport: Der Sensible wird stark

Miroslav Klose schießt wieder Tore – weil er seine Selbstzweifel besiegt hat

Miroslav Klose ignorierte den Kapitän aus tiefstem Herzen. Der Bremer Stürmer hatte sich in den Strafraum gedribbelt, zehn Meter weiter stand Michael Ballack, forderte den Ball, er hätte freie Schussbahn gehabt. Doch Klose dachte gar nicht daran, abzuspielen. Stattdessen schoss er selbst aufs Tor. Timo Hildebrand parierte, Michael Ballack schüttelte mürrisch den Kopf.

Vielleicht war das übereifrige Solo beim Training der Nationalelf in München ein kleiner Akt der Revanche für das vergangene Wochenende, an dem es sich Ballack kurzfristig auf Kloses Schultern bequem gemacht hatte, um seine Bayern gegen Werder in Führung zu köpfen. Viel wichtiger jedoch ist eine zweite Deutung: Der schmächtige Angreifer hat sein Selbstvertrauen zurückgefunden. „Qualität setzt sich durch“, sagt er. „Ich wusste, wenn ich hart an mir arbeite, wird es irgendwann bergauf gehen.“

In Bremen war Klose anfangs nicht in Form, was auch deshalb ein Drama war, weil er für die örtliche Presse stets Teuerster-Einkauf-der-Vereinsgeschichte war. „Er hat Klub und Fans gegenüber eine Verpflichtung empfunden“, sagt DFB-Teammanager Oliver Bierhoff und vermutet die Ursache der Krise in Kloses Sensibilität: „Er nimmt sich alles sehr zu Herzen.“ Und das war zuletzt eine ganze Menge. Als Klose Mitte September beim 1:1 der Nationalmannschaft gegen Brasilien in Berlin eingewechselt wurde, ertönten laute Pfiffe im Olympiastadion. Eine solche Exklusivbehandlung war bei der Nationalelf bisher nur Stefan Effenberg zuteil geworden, der sich dafür Anfang der Neunzigerjahre allerdings mit allerlei provokativen Sprüchen empfohlen hatte. „Ich wüsste nicht, was ich den Zuschauern getan habe“, sagt Klose. Und so recht mochte er nicht glauben, dass die Pfiffe tatsächlich ihm galten.

Den Kampf gegen die Selbstzweifel hat Klose in jedem Fall angenommen – unter tatkräftiger Assistenz von Werders Trainer Thomas Schaaf. „Er ist einer, der viel mit den Spielern redet“, sagt Klose. Offenbar kommt ihm das sehr entgegen. Nach fünf Toren in den letzten drei Bundesligaspielen führt er die Torjägerliste an. Zudem hat er einen wichtigen Treffer in der Champions League erzielt. Mit dieser Quote hält er auch dem Vergleich mit Vorgänger Ailton stand, der ihn seit Saisonbeginn verfolgt. „Ich habe großen Respekt vor Ailton, aber mehr auch nicht“, sagt der Nationalspieler, „ich bin der Klose, und ich versuche in Bremen mein Ding durchzuziehen.“ Die starke Konkurrenz durch Ivan Klasnic, Angelos Charisteas und Nelson Valdez sei dabei sehr förderlich. „Das ist Ansporn für jeden, keiner kann sich ausruhen.“

Das Gleiche gilt für die Nationalmannschaft, in der Klose sich wegen Kevin Kuranyis verletzungsbedingtem Fehlen nun wieder für einen Stammplatz empfehlen kann. Die erste Gelegenheit dazu hat er am Samstag in Teheran gegen Iran. Zu einem Wiedersehen mit Oliver Kahn, der dem Stürmer am vergangenen Samstag seinen Handschuh ins Gesicht gedrückt hatte, kommt es dabei allerdings nicht. Kahn ist nicht mit nach Teheran geflogen. Aber eine Aussprache sei auch nicht mehr nötig, sagt Klose: „Die Sache ist erledigt, wir haben das gleich nach dem Spiel aus der Welt geschafft.“ Allzu sehr beeindruckt hat ihn Kahns Ausfall augenscheinlich nicht, was offenbar auch für die Leistung des Torhüters gilt. Auf seiner Homepage hat Klose seine persönliche Weltauswahl zusammengestellt. Im Tor: Gianluigi Buffon, Juventus Turin.

Daniel Pontzen[München]

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