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Sport: Der Smalltalk mit seinem Idol Indurain auf der WM-Party scheiterte an den Sprachbarrieren

Etwas verlegen stehen sich Jan Ullrich und Miguel Indurain gegenüber. Sie können sich nicht recht verständigen.

Etwas verlegen stehen sich Jan Ullrich und Miguel Indurain gegenüber. Sie können sich nicht recht verständigen. Dabei hätten sich Indurains Nachfolger und Ullrichs Idol viel zu erzählen. Sprachprobleme. Indurain, im feinen grauen Sakko, sagt etwas auf Spanisch, was nur Komplimente sein können. Ullrich, im saloppen schwarzen Freitzeithemd, nickt und lächelt zurück. Das kann nie falsch sein. Dann etwas hilfloses Schweigen. Ein findiger Fotograf bringt zwei Gläser Prosecco. Die beiden größten Zeitfahrer aller Zeiten stoßen fürs Agenturbild an. Dann ruft Jan Ullrich nach seinem fürsorglichen Pfleger Dieter Ruthenberg. "Eule, lass uns setzen. Ich habe Hunger."

Es ist WM-Party im Werk "Cicli Pinarello" in Villorba, einem Vorort von Treviso, zum Abschluss des ersten Teils der Rad-Weltmeisterschaften auf der Straße. Eine kleine Werkshalle mit all den gestapelten bunten Radrahmen wurde als Bankettsaal hergerichtet. Dass zur Feier des Tages Jan Ullrich gewissermaßen vor der Haustür auf einem Super-Velo von Pinarello ins Regenbogentrikot fuhr, ist für das Familienunternehmen "wie ein Sieg Michael Schumachers in einem Ferrari in Monza", schwärmt der Junior-Chef Fausto. "Nostro grande Ullrich" begrüßt der Firmengründer und Familienpatriarch Giovanni Pinarello (77) den deutschen Sieger und bittet die geladenen Gäste um "standing ovations". Ullrich winkt verlegen und lächelt dem Applaus entgegen.

Star zu sein liegt ihm nicht, aber er weiß den Gastgeber zu würdigen. "Ich bin zum ersten Mal hier und überrascht, dass in einer so kleinen Halle so tolle Räder gebaut werden." Ullrich bedankt sich für die Einladung, wünscht bald darauf "noch einen schönen Abend. Ich muß los." Aufbruch ins neue Quartier in Bardelino am Gardasee. Schließlich ist für den Sieger des Tages die WM noch nicht zu Ende. Am Sonntag in Verona wartet die nächste Herausforderung nach Vuelta-Sieg und Zeitfahrtitel: das Königsrennen der WM. "Die Italiener mit Casagrande und alle, die bei der Vuelta stark gefahren sind wie Vandenbroucke, sind meine Favoriten", meint Ullrich. Natürlich ist auch er Titelanwärter. "Aber eine Weltmeisterschaft", bemerkt er, "ist wie eine Lotterie. Da kann auch ein Namenloser gewinnen."

Wie er selbst als 19-Jähriger vor sechs Jahren bei den Amateuren in Oslo. Die alten Werkshallen von Pinarello erinnern an Ruhmeshallen des Radsports, geschmückt mit den Trikots, den Fotos und den Postern aller Großen, von Fausto Coppi bis Jan Ullrich, die auf Rädern der Firma zu Ruhm und Reichtum kamen. Dem Haus verbundene Radstars wie Indurain, Bjarne Riis, Gianni Bugno und Alex Zülle sitzen wie Jan Ullrich unter den Gästen. "Phantastisch, wie Jan zurückgekommen ist", staunt Riis, der sich selbst von seinem Sturz bei der Tour de Suisse und dem komplizierten Bruch am rechten Ellenbogen immer noch nicht so weit erholt hat, dass er sich wieder aufs Rennrad setzen kann. Der 35-jährige Däne, mit dessen Tour-Sieg 1996 die Triumph-Fahrten des Teams Telekom begannen, weiß immer noch nicht, ob er seine Karriere fortsetzen wird. Was Indurain zu Ullrich eingangs gesagt haben könnte, erzählt er später einigen Journalisten. "Ullrich weiß sich auf dem Rad gut zu bewegen. Er hat - wie schon bei der Vuelta - eindrucksvoll demonstriert, welch großer Zeitfahrer er ist. Er besitzt eine einzigartige Ausdauer, die mir schon 1996 bei ihm auffiel." Da hatte der junge Ullrich den großen Indurain im Zeitfahren sensationell besiegt. Jetzt ist der Tour-Sieger von 1997 auch als Weltmeister Nachfolger des Spaniers geworden. Chris Boardman, Miguel Indurain, Alex Zülle, Laurent Jalabert und Abraham Olano sind Ullrichs Vorgänger in der Zeitfahr-WM. "A lo Indurain." Ullrich wie Indurain, wie die spanischen Medien über den "Supersonico" (Überschallflieger) nach der Vuelta schrieben. Als er geht, vergisst Ullrich nicht, sich von seinem bewunderten Vorbild am übernächsten Tisch mit Handschlag zu verabschieden. Hasta luego, Miguel.

Hartmut Scherzer

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