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Sport: Der Sonntagsschuss: Heimatgefühl und Globalisierung

Große Vorfreude weckt die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr bislang nicht. Das Turnier wird in zwei Ländern ausgetragen, die sich traditionell eher feindlich gegenüberstehen.

Große Vorfreude weckt die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr bislang nicht. Das Turnier wird in zwei Ländern ausgetragen, die sich traditionell eher feindlich gegenüberstehen. Japan und Korea sind teure Reiseziele, und regnen wird es im Sommer dort wahrscheinlich auch heftiger, als das für ordentliche Fußballspiele gut ist. Wer die Endrunde hierzulande am Fernseher verfolgen will, muss sich auf Anstoßzeiten während des Frühstücks oder Mittagessen einstellen, wobei die Mehrzahl der Partien auch noch verschlüsselt sein wird.

Das passt zum Abgesang auf die Nationalmannschaften, den Dietrich Schulze-Marmeling in einem Essay für diese Zeitung am 10. November 2001 verfasst hat. Er stellt dort die These auf, dass die Bedeutung der Nationalteams sich im Vergleich zum Vereinsfußball reduzieren wird. In den letzten Monaten gab es immer wieder Konflikt zwischen den großen Klubs, die Arbeitgeber der Profis sind, und den Verbänden. Die besten Spieler werden vor allem seit Einführung der Champions League durch ein beispielloses Programm gescheucht. Warum sollten sie da noch der Ehre wegen unentgeltlich für Länderspiele abgestellt werden? So werden sich derlei Partien, meint Schulze-Marmeling, zunehmend auf Großereignisse wie Weltmeisterschaften reduzieren und damit die Bedeutung der Länderteams. Das klingt einleuchtend, trotzdem ist es falsch.

Dem Fußball-Weltverband Fifa sind derzeit 203 nationale Verbände angeschlossen, mehr als den Vereinten Nationen. In den meisten dieser Länder spielen die Vereine nicht annähernd eine so große Rolle, wie es die Nationalmannschaften tun. Das gilt keinesfalls nur für Schlusslichter des Weltfußballs wie Montserrat, Bhutan oder Samoa. Auf Grund der Globalisierung des Fußballs sind die Fußball-Nationalteams auch in vielen europäischen Ländern deutlich aufgewertet. Ein Beispiel dafür ist etwa die finnische Mannschaft, mit der sich das deutsche Team in der Qualifikation für die WM-Endrunde im kommenden Jahr so schwer tat. In der Nachfolge von Jari Litmanen entwickelt eine neue Generation von finnischen Spielern vornehmlich im englischen Profifußball ihr Talent weiter. Das Niveau der Liga im eigenen Land hingegen stagniert. Ähnliches hatten zuvor bereits Dänen, Schweden oder Norweger erlebt. Wenn man dort die besten einheimischen Spieler live erleben will, geht das nur bei Länderspielen. Folglich sind sie nationale Ereignisse, wie es Vereinsspiele nie sein können. Das gilt selbst beim Weltmeister Frankreich, mehr aber noch in Afrika oder Südamerika, wo die heimischen Spieler oft nicht einmal im Fernsehen verfolgt werden können. In Brasilien oder Argentinien überleben die großen Vereine nämlich nur, indem sie ihre besten Spieler nach Europa exportieren.

So machen die Klubs dem Nationalteam nur in jenen Ländern ernsthaft Konkurrenz, die von der Globalisierung des Fußballs profitieren. Allein in Spanien, Italien, England und Deutschland haben Klubs wie Real Madrid, Juventus, Manchester United oder der FC Bayern vielleicht wirklich einen Status, der an jenen der Nationalmannschaften heranreicht. Es sind auch vornehmlich solche Klubs, bei denen es immer wieder zu Konflikten kommt. Wir bezahlen Giovane Elber, heisst es dann etwa in München, warum unternimmt er kraftraubende Reisen nach Südamerika von denen wir nichts haben - und er spielt nicht einmal?

Im überfüllten Terminkalender besteht für viele Profis zweifellos die Gefahr, zwischen Einsätzen für Verein und Land zerrieben zu werden. Um diese Gefahr und Streitereien um Abstellungen zu mindern, tritt mit Beginn des kommenden Jahres der Fifa-Kalender in Kraft, mit dem der Weltverband die Zahl der Länderspiele begrenzt und global vereinheitlicht. Zu viel Termine sind es trotzdem noch, allerdings werden damit zumindest Auswüchse eingedämmt, wie die südamerikanische Qualifikation zur kommenden WM-Endrunde, die für alle Mannschaften des Kontinents 18 Spiele lang war. Rudi Völlers Team brauchte im Vergleich dazu nur zehn Partien, das Nachsitzen gegen die Ukraine eingerechnet.

Trotzdem werden sich bereits im Januar etliche Bundesligatrainer und deren Kollegen in anderen europäischen Ligen darüber ärgern, dass ihre besten afrikanischen Profis in Mali den Afrikameister ermitteln und daher bei Ligaspielen fehlen. Schon jetzt üben Trainer und Vorstände auf ihre Spieler Druck aus, die einerseits Sorgen haben, ihre Plätze im Vereinsteam zu verlieren oder andererseits in ihrer Heimat als Verräter zu gelten. Dieses immer noch ungelöste Problem zeigt aber vor allem, dass Nationalmannschaften so stark emotional besetzt sind, dass von ihrer schwindenden Bedeutung keine Rede sein kann. Und das werden selbst Monsunschauer über Seoul oder Yokohama nichts wegschwemmen können.

Christoph Biermann

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